Obduktion
Scherz – mehr als knochentrocken und ziemlich zerbrechlich.«
»Sind sie aus Papyrus?«, fragte Alex. Er beugte sich vor und betrachtete sie eingehend, wagte aber nicht, sie zu berühren.
»Ja«, antwortete Shawn.
»Ist es leicht, sie auszurollen?«
»Ich wünschte, es wäre so«, antwortete Shawn. »Es ist ein äußerst mühsamer Prozess, und wir müssen uns Millimeter für Millimeter vorarbeiten. Sie könnten in tausend Stücke zerbrechen. Und als ob das noch nicht genug wäre, müssen wir dabei sogar noch vorsichtig sein.«
Alle lachten, sogar Shawn selbst.
»Was für ein angenehmer Typ«, bemerkte Sana, nachdem Alex gegangen war, und ergänzte wie für sich selbst: »Jedenfalls verglichen mit meinem Ehemann.«
»Oh, das hast du also gemerkt«, spottete Shawn lautstark und ergänzte dann fast wie für sich selbst: »Ich weiß genau, was du hier abziehst, und ich werde es ignorieren. Ich werde nicht eifersüchtig werden. Es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen, den Gefallen tue ich dir nicht.«
»Okay, Leute«, rief Jack plötzlich und klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit der beiden auf sich zu ziehen. »An die Arbeit! Lasst uns hier tun, was getan werden muss. Ich bin total gespannt darauf, ob es euch gelingt, die Knochen zweifelsfrei zuzuordnen. Aber das eine sage ich euch, wenn ihr euch weiterhin so anblafft, dann verschwinde ich, und ihr könnt mich auch gleich von eurer Gästeliste streichen. Auf James müsst ihr dann heute Abend sehr wahrscheinlich auch verzichten, was bedeutet: Die Party ist vorbei, bevor sie angefangen hat!«
Shawn und Sana sahen sich kurz an. Nach ein paar Sekunden warf Sana den Kopf in den Nacken und lachte: »Mein Gott, wir benehmen uns wie kleine Kinder!«
»Das ist deine Meinung«, schnauzte Shawn. Die neue Sana gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Ja, das stimmt. Ich glaube, wir werden uns zu ähnlich. So wie Hund und Herrchen.«
Jetzt war es an Shawn zu lachen: »Und wer von uns ist der Hund?«
»So wie du neuerdings herumbellst, dürfte das leicht zu beantworten sein«, stichelte Sana und grinste noch immer. Sie wandte sich an Jack: »Eigentlich hätte er wissen können, dass er nicht einfach Leute zum Abendessen einladen kann, ohne es vorher mit mir abzusprechen. Und es ist ja nicht so, dass wir nicht schon darüber gesprochen
hätten. Wir haben das bestimmt schon ein Dutzend Mal diskutiert.«
»Du musst wohl immer das letzte Wort haben, was?«, knurrte Shawn.
Jack trat zwischen Ehemann und Gattin und legte die flache Hand auf seine Fingerspitzen. »Auszeit!«, rief er. »Stopp! Hört auf, euch zu ärgern. Ihr nervt. Entspannt euch, und lasst uns an die Arbeit gehen.«
»Ich muss zum Baumarkt«, sagte Shawn unvermittelt. »Jack, kannst du mir helfen?«
»Ich könnte vielleicht eine Zange gebrauchen«, sagte Sana. »Mal sehen, ob ich diesen Eckzahn leicht herausbekomme. «
Sie nahm den Schädel und zog am rechten Eckzahn, der in bemerkenswert gutem Zustand war. Der Zahn ließ sich leicht entfernen und machte dabei ein leises, ploppendes Geräusch. »Das war leicht. Nein, ich brauche keine Zange.«
»Was brauchst du vom Baumarkt?«, fragte Jack.
»Ein paar Glasscheiben«, antwortete Shawn. »Und einen kleinen Luftbefeuchter, den ich so justieren kann, dass er einen feinen Strahl von Wasserdampf dahin bläst, wo ich ihn haben will. Ein paar Zangen und Pinzetten von der Art, wie Philatelisten sie benutzen, habe ich schon in meinem Rucksack. Diese Schriften zu entrollen, wird nicht einfach sein. Der Papyrus könnte bröckeln, also muss ich ihn zum Schutz sofort unter Glas legen. Wie ich Alex schon sagte, kann Papyrus vollständig in kleine Stückchen zerbrechen und müsste dann wie ein Puzzle wieder zusammengesetzt werden. Ich weiß nicht, was mich hier erwartet.«
»Während ihr Jungs zum Baumarkt fahrt, werde ich ins Labor gehen und mit meinem Teil des Projekts beginnen«, sagte Sana und schwang den Eckzahn. »Je schneller
ich den zusammen mit dem Lösungsmittel in ein Ultraschallbad bekomme, desto schneller kann ich ihn öffnen und an das Zahnmark herankommen.«
»Und was ist mit heute Abend?«, fragte Jack. »Werdet ihr euch benehmen? Gilt die Einladung zum Essen noch oder nicht?«
»Aber natürlich gilt sie noch«, antwortete Sana. »Ich hoffe, die Spannungen zwischen uns führen nicht dazu, dass ihr euch unwillkommen fühlt. Wir versprechen, dass wir uns benehmen werden. Ich mag es nur nicht, wenn er sich vorher nicht mit mir abspricht, aber
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