Obduktion
Kopfschmerzen wären wie weggezaubert.«
»Haben Sie sie geröntgt?«
Newhouse nickte. Er hatte bemerkt, dass mit dem Gespräch irgendetwas nicht stimmte, aber er konnte nicht sagen, was es war oder wann es angefangen hatte. Jacks Verhalten hatte sich plötzlich geändert. Anfangs hatte er noch beeindruckt gewirkt, doch jetzt schien er ihn auf seltsame Art herausfordern zu wollen.
»An welchen Stellen genau befanden sich diese Subluxationen? «, fragte Jack.
»Über den ganzen Rücken verteilt«, antwortete Newhouse. Seine Stimme hatte einen anderen Klang bekommen. Er schätzte es nicht, kritisch hinterfragt zu werden. Schon gar nicht auf seinem Fachgebiet. »Ihr Rückgrat sah schlimm aus, weil sie sich so lange nicht darum gekümmert hatte. Sie war nie zu einem Chiropraktiker gegangen.«
»Was war mit ihrer Halswirbelsäule? War die auch in so einem schlimmen Zustand?«
»Die ganze Wirbelsäule war es, einschließlich der Halswirbel. «
»Und dann dachten Sie, sie bräuchte eine Adjustierung. «
»Viele Adjustierungen«, korrigierte Newhouse. »Wir haben uns auf einen Behandlungsplan geeinigt. Sie
kommt diese Woche und in den folgenden vier Wochen jeweils zweimal, und dann vier Wochen lang jeweils einmal wöchentlich.«
»Und wenn ich mich recht erinnere, dann sind Adjustierungen nichts anderes als Manipulationen an der Wirbelsäule, korrekt?«
Newhouse schaute umständlich auf seine Uhr. »Ich fürchte, es ist spät geworden. Es warten noch ein paar Patienten auf mich. Ich muss Sie leider bitten zu gehen.«
»Würden Sie so freundlich sein, mir meine Frage zu beantworten?«, sagte Jack und bewegte sich nicht vom Fleck.
Ein schiefes Lächeln flog über Newhouses Gesicht. Ihm dämmerte plötzlich, dass sein ungebetener Gast wahrscheinlich ein Störenfried war und achtkantig hinausgeworfen werden sollte. Er hatte aber den leisen Verdacht, dass es sich bei Jack nicht etwa um einen Spinner, sondern um einen städtischen Aufsichtsbeamten handeln könnte, und deshalb zögerte er noch. Jack hatte eine bestimmende Art an sich, dachte Newhouse, etwas unerwartet Forschendes und ein so selbstsicheres Auftreten, das den Verdacht stützte, dass er ein Behördenvertreter sein könnte. Und obwohl Newhouses Praxis vorher noch nie kontrolliert worden war, wusste er, dass das jederzeit zum ersten Mal passieren konnte – was eine Katastrophe werden könnte. Er wusste mit Sicherheit, dass sein Röntgenraum nicht gut genug gegen die Decke hin abgeschirmt war. Mit all dem im Hinterkopf erkundigte er sich: »Wie war doch gleich Ihre Frage?«
»Ich möchte wissen, ob sich Keara Abelard einer Wirbelsäulenbehandlung unterzogen hat.«
»Wir geben grundsätzlich keine vertraulichen Informationen über unsere Patienten weiter«, antwortete Newhouse abwehrend.
»Führen Sie Aufzeichnungen über die Behandlungen, die Sie an Patienten durchführen?«
»Aber selbstverständlich führen wir Patientenakten. Wir müssen doch den Heilungsverlauf dokumentieren. Was soll die Frage?«
»Ich kann Ihre Akten sicherstellen lassen, also können Sie es mir auch gleich sagen.«
»Sie können meine Akten nicht sicherstellen lassen«, erklärte Newhouse, wenn auch ohne große Zuversicht. Er machte sich inzwischen noch mehr Sorgen, dass Jack nicht der war, für den er ihn gehalten hatte – ein zukünftiger neuer Patient, der sich mit dem Gedanken trug, einen Termin zu vereinbaren.
»Sie sagten, dass Keara Abelards Kopfschmerzen nach Ihrer Behandlung verschwunden waren. Wussten Sie, dass sie zurückgekommen sind?«
»Nein, das wusste ich nicht. Sie hat mich nicht angerufen. Hätte sie es getan, hätte ich gleich einen Termin mit ihr vereinbart.«
»Die Kopfschmerzen kamen verstärkt zurück«, fauchte Jack. »Und ich muss wissen, ob Sie ihre Halswirbelsäule adjustiert haben.«
»Und warum müssen Sie das wissen, Mr Stapleton? Wer sind Sie eigentlich?«
»Ich bin Dr. Jack Stapleton«, schnappte Jack. »Gerichtsmediziner der Stadt New York.« Er hielt Newhouse seine Dienstmarke unter die Nase. »Keara Abelard starb gestern Nacht ohne erkennbare Ursache, und dadurch wurde sie ein Fall für die Gerichtsmedizin. Ich bin der ermittelnde Gerichtsmediziner. Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie etwas an ihrem Hals gemacht haben, als sie letzten Freitag bei Ihnen war. Wenn Sie mir keine Auskunft geben, hole ich die Polizei und lasse Sie verhaften.«
Jack wusste, dass er damit eigentlich seine Befugnisse
übertrat und ganz schön übers Ziel
Weitere Kostenlose Bücher