Obduktion
alternative Medizin insgesamt konzentrieren, nicht nur auf die Chiropraktik oder gar auf Newhouse allein, nur weil ihn Keara Abelards Tragödie emotional so berührte.
Kaum hatte er sein Fahrrad aufgeschlossen, trat Jack in die Pedale und flitzte in Richtung Süden davon. Als er Geschwindigkeit aufnahm, fing er langsam an, sich über die möglichen Konsequenzen seines schlecht vorbereiteten Ortstermins Gedanken zu machen. Wenn Bingham oder Calvin von seinen jüngsten Mätzchen Wind bekämen, könnte das durchaus das Ende seines privaten Kreuzzuges bedeuten. Vielleicht würde es sogar ausreichen, um ihn auf einen Verwaltungsposten abzuschieben. Aus Jacks Perspektive stellte jede dieser Möglichkeiten ein ernsthaftes Problem dar.
Kapitel 10
12:53 Uhr, Dienstag, 2. Dezember 2008 Rom (6:53 Uhr, New York City)
D ie Boeing 737—500 der Egyptair setzte endlich zur Landung auf dem Flughafen Fiumicino in Rom an. Shawn sah aus dem Fenster. Er konnte nur die Tragfläche der Maschine sehen, und es kam ihm vor, als flögen sie durch eine Nebelbank in San Francisco. Eine halbe Stunde schon kreisten sie über dem Flughafen.
Bis auf diese Unannehmlichkeit hatten sie eigentlich eine entspannte Reise gehabt. Mit Leichtigkeit hatten sie die ägyptische Passkontrolle und den Sicherheitsbereich passiert. Shawn hatte sich Sorgen gemacht, denn er trug den Kodex, den er in ein Handtuch aus dem Hotel Vier Jahreszeiten gewickelt hatte, als Handgepäck bei sich. Wenn sie ihn entdeckt hätten, wäre er sehr enttäuscht gewesen, auch wenn er sich wegen der Rechtsfolgen keine Gedanken machte. Er hatte sich für diesen Fall überlegt, zunächst bei der Wahrheit zu bleiben und zu erzählen, dass er ihn als Souvenir gekauft hatte, dann wollte er lügen und behaupten, dass er ihn für eine Fälschung hielt, genau wie alles andere, was in den Antiquitätenläden von Khan el-Khalili verkauft wurde.
Mit Saturninus’ Brief war es allerdings etwas anderes. Shawn hatte sich von der Hotelküche Klarsichtfolie geben lassen und damit jedes einzelne Papyrusblatt vorsichtig umwickelt und es zwischen die Seiten eines großen
Bildbandes über antike ägyptische Denkmäler geklebt, den er noch schnell im Geschenkladen des Hotels gekauft hatte. Als sie die Sicherheitskontrolle passierten, trug er ihn, für jeden sichtbar, unter dem Arm. Wenn sie den Brief gefunden hätten, hätte es ganz sicher Probleme gegeben, aber er hielt das Risiko für gering. Sana gegenüber hatte er es sogar ganz ausgeschlossen und log, er hätte das in der Vergangenheit schon mehrmals ohne Probleme so gemacht. »Solange das Buch durch ihren Scanner geht, sind sie glücklich«, versicherte er ihr.
Ein plötzlicher, harter Ruck schreckte Shawn auf. Das Flugzeug war durch die Wolkendecke gestoßen. Durch das vom Regen gepeitschte Fenster konnte er nun die saftigen, grünen Felder und die vom Verkehr verstopften Straßen sehen. Obwohl es mitten am Tag war, hatten fast alle Autos ihre Scheinwerfer an. Vor sich konnte er vage den Flughafen erkennen und, was am wichtigsten war, die Landebahn. Kurz darauf landete das Flugzeug und die Motoren heulten im Gegenschub auf.
Shawn seufzte leise und schielte zu Sana hinüber. Sie lächelte. »Nicht gerade das schönste Wetter«, bemerkte sie, während sie sich nach vorne beugte, um hinaussehen zu können.
»Im Winter kann es hier sehr regnerisch sein.«
»Das kann uns ja egal sein«, winkte Sana lächelnd ab.
»Das denke ich auch«, stimmte Shawn ihr zu. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie. Sie erwiderte den Druck. Beide waren in freudiger Erwartung auf das, was vor ihnen lag.
»Ich sag dir was«, sagte Sana, »ich gehe zur Gepäckausgabe, und du holst schon mal den Leihwagen. Dadurch sparen wir Zeit.«
»Gute Idee«, sagte Shawn. Er war wirklich überrascht und dankbar. Normalerweise überließ sie ihm immer
jegliche Planung. Aber diesmal dachte sie mit und bot ihre Hilfe an. Zu seiner Freude schien sie genauso aufgeregt zu sein wie er. Während des Fluges hatte sie ihn mit Fragen über das frühe Christentum, das Judentum und sogar über die heidnischen Religionen des Nahen Ostens gelöchert.
»Was meinst du, wie wir vorgehen sollen, wenn wir aus dem Flughafen raus sind?«, fragte sie voller Tatendrang.
»Zuerst werden wir mal im Hotel einchecken, etwas essen und uns dann die nötigen Werkzeuge besorgen. Danach sollten wir uns in der Totenstadt umsehen, damit wir später, wenn wir uns dort reinschleichen, um das Ossuarium zu holen,
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