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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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hinausschoss. Er hatte keine Chance, Newhouse verhaften zu lassen. Aber Jack war wütend genug, es zu behaupten, weil der Mann einfach das vielversprechende Leben einer schönen jungen Frau ausgelöscht hatte. Aber eigentlich hätte ihm klar sein müssen, dass die tiefer liegende Ursache seines übertriebenen Verhaltens eher die Krankheit seines Sohnes war und seine eigene Ohnmacht, etwas dagegen tun zu können.
    »Na gut«, schrie Newhouse, nachdem er sich vom Schock der Nachricht von Kearas Tod erholt hatte. »Ich habe an ihrer Halswirbelsäule gearbeitet, so wie ich es schon bei tausend anderen getan habe. Und wissen Sie was? Es hat funktioniert. Es hat funktioniert, weil ich ihren subluxierten vierten Halswirbel wieder hingekriegt habe. Als sie hier rausgegangen ist, ging es ihr gut, und sie war dankbar, weil sie zum ersten Mal seit Wochen schmerzfrei war. Wenn sie gestorben ist, dann starb sie an etwas anderem — an irgendetwas, was ihr am Wochenende zugestoßen ist, und nicht an meiner Behandlung. Falls es das sein sollte, worauf Sie hinauswollen.«
    »Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Ihre Behandlung der Grund ihres Todes war«, rief Jack. »Und wollen Sie wissen, wie Sie das gemacht haben? Als Sie ihr den Hals eingerenkt haben — so nennt man das ja wohl —, haben die feinen Innenwände ihrer Arteria vertebralis einen Riss bekommen. Das hat eine beidseitige Vertebralisdissektion ausgelöst und schließlich die Blutzirkulation blockiert. Ich nehme an, Sie wissen, was die Vertebralarterien sind?«
    »Natürlich weiß ich, was das ist«, schrie Newhouse zurück. »Und jetzt verlassen Sie meine Praxis. Sie werden mir keinen Fehler nachweisen können, weil ich keinen begangen habe. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass
es in Ordnung ist, mich auf diese Weise zu beschuldigen. Sie haben vielleicht Nerven, hier aufzukreuzen und sich als jemand anders auszugeben. Sie werden von meinem Anwalt hören. Das verspreche ich Ihnen.«
    »Und Sie werden vom Bezirksstaatsanwalt hören«, bellte Jack. »Auf dem Totenschein wird ›Mord‹ als Todesursache stehen. ›Immanente Intelligenz‹ — was für ein Humbug. Das ist der abgedrehteste Unsinn, den ich je in meinem Leben gehört habe. Sie haben Ihre Kollegen, die sich auf die Behandlung von Rückenproblemen beschränken, als Abtrünnige und Verräter bezeichnet. Wie nennen diese ›Verräter‹ denn Sie und Ihresgleichen? Quacksalber?«
    »Raus hier!«, tobte Newhouse und brachte sein Gesicht gefährlich nahe an das von Jack.
    Es war, als ob in Jack ein Schalter umsprang. Er realisierte, dass er sich nur ein paar Zentimeter vor einem aufgebrachten Mann befand und die Situation kurz davor war zu eskalieren. Was machte er da eigentlich? Was hatte er sich dabei nur gedacht?
    Er trat einen Schritt zurück. Nicht, dass er Angst gehabt hätte — Newhouse sah nicht besonders fit aus –, aber er wollte die ohnehin verfahrene Lage nicht noch verschlimmern. Er wollte hier endlich den Abflug machen.
    »Ich glaube, jetzt, nachdem ich Sie in Augenschein genommen habe, kann ich tatsächlich gehen«, sagte Jack und fiel in seinen Sarkasmus zurück. »Sie brauchen mich nicht zur Tür zu bringen«, fügte er hinzu und hob die Hand, als wolle er Newhouse zum Abschied winken. »Ich finde meinen Weg allein.«
    Jack nahm den kürzesten Weg aus der Praxis. Lydia und mehrere Patienten hatten mindestens den letzten Teil von Jacks und Newhouses Schlagabtausch mit angehört. Sie saßen angespannt da und waren darauf eingestellt, sich zu
ihrer eigenen Sicherheit bei Bedarf schnell aus dem Staub zu machen. Ihre Münder waren leicht geöffnet und ihre Augen folgten Jack mit starrem Blick, als er an der Rezeption vorbeilief. Bevor er durch den Haupteingang der Praxis verschwand, drehte er sich noch einmal um und winkte Lydia zum Abschied.
    Draußen ging Jack auf direktem Weg zu seinem Fahrrad und fummelte sich durch alle seine Fahrradschlösser, wobei er sich immer wieder nervös umdrehte. Von seinem eigenen Verhalten überrascht, wunderte er sich darüber, wie sehr er bei Newhouse die Fassung verloren hatte. Gewiss — nun, wo er wieder vernünftig denken konnte, wurde ihm klar, dass das alles auf JJ zurückzuführen war. Das unterstrich ein weiteres Mal, wie wichtig es für ihn war, die Situation in den Griff zu bekommen. Aber es unterstrich auch, wie wichtig sein Kreuzzug in dieser Sache war. Er durfte vor lauter Bäumen den Wald nicht aus den Augen verlieren. Er musste sich auf die

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