Oberst von Huhn bittet zu Tisch (German Edition)
nach Mallorca, um dort in einem chinesischen (!) Restaurant »Isolationsschlauch« aufzufinden.
Ein zunächst unerklärliches Phänomen. Denn wer in einem Wörterbuchnachschlägt, wird in der Regel das Wort »Isolationsschlauch« auf der deutschen Seite gar nicht finden – und wenn er es doch findet, wird es nicht mit
spaghetti
(und auch nicht mit
spaghetto
, denn
spaghetti
ist ja ein Plural) übersetzt, sondern vielleicht mit
tubo di isolamento
. Und ein solcher
tubo
ist nicht essbar, auch nicht für Deutsche. Und schon gar nicht für Italiener.
Liegt der Grund in der Verwechslung mit
Maccheroni
oder
Bucatini
, mit Röhrennudeln also, die rein optisch eine gewisse Ähnlichkeit zum hohlen Isolationsschlauch haben?
Nein, so ist es nicht, dann müssten ja auch alle
Maccheroni-
oder
Bucatini
-Gerichte »Isolationsschlauch« heißen.
Der Grund ist weniger kompliziert, er hat mal wieder mit den erwähnten Computerprogrammen zu tun, bei denen es keine direkte Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche gibt. Man kann eben dort nur vom Italienischen ins Englische übersetzen. Und dann vom Englischen weiter ins Deutsche.
Also: Spaghetti vom Italienischen ins Englische übersetzt heißt, nun ja, Spaghetti.
Im Englischen aber hat das Wort
spaghetti
noch eine zweite Bedeutung – und die lautet? Genau: Isolationsschlauch.
Bleibt die Frage, warum bei der Übersetzung vom Italienischen ins Englische diese Möglichkeit nicht genutzt wird. Warum kommt
Babelfish
hier nie zum Ergebnis
Electrical insulating tube
? Vielleicht weil Spaghetti auf Englisch nun einmal ein
Electrical insulating tube
ist.
Die weitere Frage, warum sich ein Computersystem, wenn ihm zwei Möglichkeiten für die Übersetzung offenstehen, gezielt für die falsche entscheidet, haben wir im Schweinefleisch-Kapitel schon behandelt: Das System überlegt sich offensichtlich stets beim Betrachten der Wörter, welches deutscher klingt oder aussieht. Da will es sich natürlich ganz klar für »Isolationsschlauch« entscheiden, ein in seiner ganzen Anmutung zutiefst deutsches Wort, ebenso wie, zum Beispiel, Füllhalter.
Was sind »Füllhalter in unserer Leitung«, gefunden von Frau B. aus Berlin in Italien? Es muss sich um die Nudelart
Penne
handeln.
Penne
bedeutet sowohl »Füllhalter« (im Plural, der Singular
ist penna),
als auch, nun ja, Penne. Aber »in unserer Leitung«? Dazu muss man wissen, dass der Wirt in diesem Fall ausnahmsweise zuerst vom Italienischen ins Französische oder eine dem Französischen ähnliche Sprache übersetzt hat, also
Penne a modo nostro
(Penne nach unserer Art) zu
Stylos à notre direction.
Was dann vom Französischen ins Deutsche übertragen (da
direction
auch »Leitung« heißt) die erwähnte Speise ergibt.
Auf Englisch nennt der Dichter das Gericht übrigens
Way our pens.
Es führen also viele Wege ins Falsche.
Und es ist auch nicht alles erklärlich, Gott sei Dank. Im Grunde ist das Unerklärliche das Schönste.
»Gegüllte Riesenravioli« zum Beispiel, entdeckt von Herrn A. aus Stuttgart in der Nähe seines Wohnortes.
»Rigatoni mit Puttenfleischstreifen Champignon- sahen .sause«, von Leserin S. aus München aufgestöbert im (allerdings griechischen)Restaurant
Meteora
in Leiblfing. Puttenfleischstreifen? Wir kannten doch die Putten immer als kleine, spärlich bekleidete Barockengel. Wie entsetzlich grausam, ihr Fleisch in Streifen zu schneiden und zu essen! Und dann auch noch in »Champignon- sahen .sause«.
»Spaghetti mit Flusskrssehwanze und Zucchini«, wie sie mein Freund F. im
La tazza d’oro,
einem sehr netten Münchner Italiener fand. Was ein »Flusskrs« ist, kann man sich ja noch denken, was aber mag eine »Sehwanze« sein? Ich gab das probehalber mal bei
Google
ein und landete bei einem Aufsatz namens »Ueber automatische Bewegungen bei enthaupteten Enten (Vorläufige Mittheilung)« von Prof. J. Tarchanoff in St. Petersburg, ein alter Text in einer alten Schrift, in der das c sehr unserem e ähnelt, sodass man (über Enten, denen man das Rückenmark durchtrennt hatte) zu lesen meint: »Eine dergleichen Ente macht von Zeit zu Zeit bestimmte Bewegungen mit ihrem Sehwanze …«
Immerhin klingt all das noch nach Essen, nicht wahr? Nun aber betreten wir die nächste Stufe der Speisesprache in ihrer deutschalienischen Variante. Hier ist nicht mehr erkennbar, dass wir es mit Verzehrbarem zu tun haben.
»Zeichnet Ihnen das Werfen« zum Beispiel, eingesandt von Frau H. aus Berlin, mitgebracht aus Italien. Oder:
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