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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Zeit gefunden, sich etwas überzustreifen. Er versuchte sich zu entspannen. Fast hätte er einen Wadenkrampf bekommen, so angestrengt starrte er auf das Bild. Momentan zeigte die Kamera nur Schaum, Weißwasser und Luftblasen, das Boot war wohl umgekippt, vielleicht war es vollständig unter Wasser gedrückt worden. War es in eine Unterspülung oder gar in einen Siphon geraten? Aber jetzt! War da nicht ein Gesicht aufgetaucht? Ein Gesicht, das ihm sehr bekannt vorkam? Oder doch nicht? Ein einzelner Kopf, ein vom Körper losgelöster Kopf? Ein Kopf, der sich schnell um sich selbst drehte? Ein Kopf, der sich so rasend schnell drehte, dass gar kein Körper mehr daran sein konnte? Finger konnte nicht mehr hinsehen.
     
    Wo um alles in der Welt steckte Maria? Es war unwahrscheinlich, dass sie schon weiter flussabwärts getrieben worden war. Wenn Ostler sie nicht in einer Unterspülung fand, musste sie einfach hier vorbeikommen! Jennerweins vordringlichstes Ziel war es, Maria Schmalfuß zu bergen, dann erst den verdammten Schurken zu fassen. Dieser Schurke trieb nun auf das eingeklemmte Boot zu, mit ein paar raschen Kraulstößen hatte er es erreicht, er machte Anstalten, es erneut zu erklimmen. Jennerwein hechtete in diese Richtung, er wollte ihm zuvorkommen, er schaffte es nicht, die beiden kamen gleichzeitig an. Verzweifelt rang Jennerwein mit dem Mann, unter normalen Umständen hätte er keine Chance gehabt, der Mann war einen Kopf größer als er, muskulöser und zudem zwanzig Jahre jünger. Aber Jennerweins Vorteil war, dass der andere gerade ein außerordentlich erschöpfendes Wildwasserkraulen hinter sich hatte und vollkommen außer Atem war. Beide standen jetzt auf den schwankenden Ästen, die das Wasser angeschwemmt hatte und rangen verbissen miteinander. Jeden Moment konnte das Geäst mitsamt den Kämpfern abrutschen und zwischen die schroff aufragenden Steine geraten, die dort unten drohten. Der Blitzlichtregen, der sich jetzt von oben über den Kampfplatz ergoss, war enorm. So nah waren viele der Reporter noch nie am Ort des Geschehens gewesen.
     
    »Ich weiß, wie spät es ist«, schrie Becker in Telefon. »Und ich weiß, dass Sie und Ihr großes, weltbekanntes Sportgeschäft zu keinerlei Auskünften über Ihre Kunden verpflichtet sind! Aber Sie schalten jetzt Ihren verdammten Computer an und geben mir die Adresse von dem Typen, der das Boot gekauft hat! Haben Sie schon einmal was von unterlassener Hilfeleistung gehört?! Nochmals: Es ist ein Kajak der Marke Pyranha –«
     
    Ein Faustschlag, noch ein Faustschlag, Jennerwein hatte einen Treffer abbekommen, auch der andere krümmte sich vor Schmerz. Gleichzeitg griffen sie jetzt ans Boot und wollten hineinspringen, dadurch entglitt es ihnen, es löste sich vom Treibholz und fuhr alleine los. In hohem Bogen schoss es den Wasserfall hinunter und zerschellte krachend auf der Felsplatte. Und nun konnte auch das Treibholz dem Gewicht der beiden Männer nicht mehr standhalten, es rutschte ab und drohte weggerissen zu werden. Der Berserker strauchelte, glitt aus und schlug mit dem Kopf auf einem Fels auf. Jennerwein sah, dass er besinnungslos in den Zweigen hängengeblieben war. Er drohte abzurutschen. Mit letzter Kraft konnte Jennerwein ihn an einem Bein packen und in seine Richtung ziehen.
    »Schnell, Stengele!«, schrie Jennerwein. »Das Seil!«
    Blitzschnell befestigte Stengele das Sicherungsseil am Geländer des Klammsteiges. Nicole warf Jennerwein das andere Ende zu, der schlang es sofort mehrmals um sich und um den Bewusstlosen.
    Jennerwein blickte zurück. Das Treibholz rutschte gerade mit großem Getöse den Wasserfall hinunter, aber das Seil hielt sie fest, den ohnmächtigen schwarzen Mann und den Hauptkommissar.
     
    Maria Schmalfuß tauchte mit dem Kopf aus dem Wasser und griff nach einem herausragenden Felsvorsprung. Sie schnappte nach Luft. Sie hielt sich zwar an der Klammwand fest, die Wand war jedoch so überhängend, dass die zahlreichen Journalisten dort oben sie nicht sehen konnten. Nach oben zu klettern war ihr ganz und gar unmöglich, schreien hatte ebenfalls keinen Sinn, man hätte sie nicht gehört. Sie hatte weder ein Funkgerät noch eine Dienstwaffe, um sich bemerkbar zu machen. Lange konnte sie sich so nicht halten. Ihre Finger rutschten ab. Sie holte noch einmal tief Luft, dann ließ sie sich ins Wasser gleiten. Der einzige Weg, der Hölle zu entkommen war der, durch die Hölle zu gehen. Sie wusste, dass sie nur die Rückläufe und

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