Oberwasser
nochmal an.«
Ein Viertelstündchen noch.
Nadja und Boris waren Profis, aber bei Krapf musste man kein großer Profi sein. Im Internet war alles über ihn zu finden, er war in sämtlichen Social Networks eingetragen, da waren Fotos zu sehen, die er von sich geschossen hatte, Fotos von seiner Wohnung, Fotos von der Feuerleiter, über die man verschwinden konnte, und von vielem Weiteren, was das dunkle Herz begehrt. Unter der Rubrik ›Ängste‹ hatte er
Kann kein Blut sehen
und
Angst vor Zahnarzt (Dentophobie)
eingetragen. Die Haustür unten war ein Kinderspiel, die Wohnungstür oben ebenso. Pünktlich um acht Uhr morgens standen Boris und Nadja in Krapfs Wohn- und Arbeitszimmer. Aus dem Schlafzimmer hörte man lautes Schnarchen. Sie streiften ihre Masken über und sahen sich ein wenig in der Schülerbude um. Sicherheitshalber hatte Boris seine Pistole gezogen, aber Oliver Krapf erwies sich als leicht zu überwältigen, bald saß er auf einem Stuhl, ein breites Klebeband über den Mund gezogen, Hände und Beine mit Gartendraht fixiert. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen.
»Keine Angst, junger Mann«, sagte Boris. »Wenn du keine Schwierigkeiten machst, geschieht dir nichts. Erwartest du Besuch? Hast du einen Termin?«
Krapf schüttelte den Kopf. Was sollte denn das? Er war nicht reich, er hatte keine Geheimnisse – oder etwa doch? Verdammt nochmal, sahen die beiden nicht aus wie das Pärchen, das ihn in Málaga überfallen hatte? Genau, das waren sie! Sie wollten die Münze holen! Die verdammte Münze, die absolut nichts wert war! Die konnten sie allerdings haben. Krapf gab tapegedämpfte Laute von sich und versuchte, mit dem Kopf in eine bestimme Richtung des Zimmers zu deuten. Sie beachteten ihn kaum.
»Nur ruhig, junger Mann.«
Krapf rollte mit den Augen.
»Mhmmmm!«
»Geduld, junger Mann, zu deiner Falle kommen wir später. Was hast du dort hinten für uns vorbereitet? Einen Mechanismus, der Lachgas freigesetzt, wenn ich die Schublade aufmache? Einen Boxhandschuh mit einer Stahlfeder? Irgendein anderer Trick aus der Schülerzeitung?«
Nadja und Boris lachten herzhaft.
Nadja setzte sich an Krapfs Schreibtisch und startete dessen Rechner hoch. Oliver Krapf entspannte sich. Nadja schüttelte verwundert den Kopf. Es gab überraschenderweise kein Kennwort, das man eingeben musste. Sie forschte die Dateien durch.
»Auf den ersten Blick ist da nicht viel drin«, sagte Nadja nach einiger Zeit. »Da geht es nur um die Höhle im Kurort, und selbst über die weiß er nicht viel.«
»Vielleicht hat er nichts notiert?«
»Er ist wahrscheinlich harmlos, er weiß gar nichts.«
»Lass uns lieber auf Nummer sicher gehen und ihn ausquetschen. Das dürfte bei so einem Jüngelchen kein Problem sein.«
Nadja drehte sich wieder zum Rechner und ging alle Dateien nochmals genau durch. Krapf begann wieder, Zeichen in Richtung der Kommode zu machen, die in der Ecke stand.
»Ich habe seine ganze E-Mail-Korrespondenz durchgesehen. Über die Höhle weiß er nur das, was in den Foren ohnehin seit Jahren steht. Die Legende von den Flößern zum Beispiel. Dass diese Höhle aber schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder mal Menschen aufnimmt, freiwillig oder unfreiwillig – davon steht hier nichts.«
»Und von unserer Bank im Kurort?«
»Kann ich auch nichts finden. Entweder weiß er nichts davon, oder er hat es nicht aufgeschrieben. Hat alles im Kopf.«
»Raffiniertes Kerlchen – hat alles im Kopf. Ich denke, wir sollten ihn ein wenig zahnärztlich behandeln.«
Boris ging auf Krapf zu, schob das Couchtischchen neben ihn und rollte eine Instrumententasche darauf aus.
»Hammer und Hohlmeißelzange, Wundhaken und Mundsperrer – ich denke, wir haben alles, was wir für eine Extraktion brauchen.«
Man sah Krapf an, dass ihn ein Angstschauer nach dem anderen überfuhr. Er riss die Augen auf, er rüttelte an seinem Stuhl, deutete mit dem Kopf immer wieder in die Ecke des Zimmers.
»Was ist denn da? Der Schrank? Die oberste Schublade? Das Kästchen da? Und was ist da drin? Die zehn Euro Praxisgebühr?«
Beide lachten. Boris rüttelte mit einer Schachtel, in der sich lauter Krimskrams befand.
»Und welches dieser Dinge soll uns nun interessieren? Das Notizheftchen? Einer der USB -Sticks?«
Nadja riss Krapf das Tape vom Mund.
»Da … da …«, stotterte Krapf, »in dem Döschen … nehmen Sie die Münze mit …«
»Die Münze meinst du? Was sollen wir mit einer abgeschabten Münze?
Weitere Kostenlose Bücher