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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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schrie er. Maria hustete, der Mann drückte ihr die Mauser noch fester in den Hals. Was hatte sie alles über das Verhalten bei Geiselnahmen gelesen und gehört! Salewski-Effekt, Inszenierung von skurrilen Szenen – all das war momentan vergessen, das Einzige, was ihr geblieben war, war die pure Angst um ihr Leben.
    »Und jetzt werfen Sie die Waffen einzeln in hohem Bogen ins Wasser!«, schrie der Mann. »Erst der grobe Klotz da hinten!«
    Stengele machte ein furchtbar angeekeltes Gesicht, tat aber schließlich, wie ihm geheißen.
    »Dann der mit dem Kopfhörer. Los, beeilen Sie sich, ich habe nicht ewig Zeit. Dann die Dame dort bei der Liege – kommen Sie raus! Der unscheinbare Herr mit der Thermodecke! Das wird wohl Jennerwein persönlich sein, wie? Und jetzt legen Sie sich alle auf den Bauch, die Hände hinter dem Kopf verschränkt!«
    Als alle schließlich platt auf dem Boden lagen, zerrte Arri Maria Schmalfuß ein paar Schritte zur Seite und spähte in den Durchgang, in dem Weißenborn liegen musste. Er war nicht mehr da! War er ins Wasser gestürzt? Hatte er sich soweit erholt, dass er sich in Sicherheit bringen konnte? Jetzt sah er ihn wieder. Ein paar der Journalisten zogen ihn gerade aus dem Bereich der Polizeiabsperrung. Arri griff an seinen Gürtel. Dort baumelte die Handgranate. Sie war die einzig noch verbleibende Lösung, Weißenborn auszuschalten. Die Höhle war ohnehin verloren, das war ihm nun klar. Jennerwein hatte sie entdeckt und war anscheinend auch drin gewesen. Er musste die Höhle sprengen, dann wären alle Beweise vernichtet, keine Spur würde mehr zu ihm führen. Er aktivierte die Zeitschaltung. Ihm blieben noch zwei Stunden. Hier oben konnte er die Handgranate nicht werfen, ohne sich selbst umzubringen. Sein Blick fiel auf das Boot.
     
    Konrad Finger war längst wieder zu Hause. Er saß in der Badewanne und versuchte sich von dem Schrecken zu erholen. Plötzlich ertönte das Alarmsignal am Computer erneut. Das durfte doch nicht wahr sein: Schon wieder war jemand an seinem Boot! Wütend stieg er aus der Wanne, lief zum Computer und klickte auf das Kontrollbild seiner Überwachungskamera, die er am Boot befestigt hatte. Das Bild hatte sich verändert. Was war das denn? Sein Boot lag im Wasser? Es schwamm in der Höllentalschlucht, und es rauschte hinunter. Scheinwerfer beleuchteten es von allen Seiten, Menschen schrien! Das gibts doch gar nicht! Da fuhr jemand mit seinem Boot die Höllentalklamm hinunter. Fasziniert starrte Konrad Finger auf den Bildschirm.

65 .
    Es war alles ganz schnell gegangen. Arri hatte die schlaksige Frau zu Boden gerissen, dann hatte er sich das Kajakboot gegriffen, hochgehoben und in den reißenden Wildbach gestoßen, ins Kehrwasser nah am Fels, in dem es ein paar Sekunden trudeln würde. Dann war er gesprungen. Es hätte alles so gut geklappt, wenn diese Idiotin ihn nicht an den Beinen gepackt hätte, so dass er beim Absprung ins Schlingern gekommen und unsanft ins Wasser geplumpst war. Hatte er sie mitgerissen? War sie ihm nachgesprungen? Egal, er musste jetzt irgendwie zu dem Boot kommen, das war seine einzige Chance. Wenn er es schaffte, das Kajak lange genug im Kehrwasser zu halten, konnte er die Handgranate nach oben werfen, so wie er es geplant hatte.
     
    Johann Ostler klinkte den Draht der Seilwinde in den Karabiner seines Gurtes.
    »Becker, lassen Sie mich hinunter, zählen Sie bis sechzig und ziehen Sie mich wieder hoch!«
    Alle waren entsetzt aufgesprungen, hatten sofort bemerkt, dass Maria das Bein des Angreifers gepackt und nicht losgelassen hatte, und mit ihm in die tosenden Fluten gestürzt war. Die Seilwinde, mit der Jennerwein aus der Molybdänhöhle geborgen worden war, kam jetzt zu ihrem zweiten Einsatz. Mit ein paar geübten Griffen warf Ostler den Befestigungsdraht über einen vorstehenden Felsenknubbel, blitzartig hatte er seinen Sitzgurt angelegt, den Helm übergestreift und den Haken der Seilwinde an seinem Gurt festgehängt.
    »Sie können doch nicht –«
    »Wir haben keine Zeit für Diskussionen. Ich springe runter, Maria kann noch nicht weit sein.«
    Jennerwein nickte.
    »Nach einer Minute ziehen wir Sie wieder raus. Viel Glück, Ostler.«
    Johann Ostler war Mitglied der Bergwacht, der Wasserwacht und der freiwilligen Feuerwehr, er kannte sich mit solchen Bergungsmanövern aus.
    »Geben Sie mir zwei Minuten«, sagte er.
    »Ich laufe ein Stück flussabwärts«, rief Jennerwein. »Wenn Maria in die Hauptströmung geraten ist, kann

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