OCCUPY - Verschwörung aus dem Dunkeln (Gesamtausgabe)
nicht leichtsinnig aufzuspringen und direkt zum Lastwagen zu rennen. Da kam der Zufall den beiden Wissenschaftlern zu Hilfe. Der Fahrer wischte sich die schmutzigen Hände an seiner Hose ab. Der Mann war, soweit es sich im Dunkeln erkennen ließ, um die 30 und trug eine grüne Uniform ohne Hoheitsabzeichen und eine Schildmütze. Er machte sich am Schlitz seiner Hose zu schaffen während er auf der anderen Straßenseite im Wald verschwand. Der Soldat musste offensichtlich pinkeln. Scholl gab Schreiner einen Klaps gegen die Schulter. Dann sprang er auf und ging zügig, aber dabei darauf bedacht, möglichst keine Geräusche zu machen, auf die Pritsche des Lastwagens zu. Schreiner folgte ihm in geduckter Haltung. Scholl machte seinem älteren Kollegen eine Baumleiter, um ihm das Hochklettern auf die Pritsche zu erleichtern. Dann zog er sich selbst mit Schwung hinauf. Schreiner packte ihn am linken Arm und zog ihn das letzte Stück hoch. Die beiden hatten wirklich Glück. Der Lastwagen hatte etliche Holzkisten geladen, die ihnen ausreichend Versteck boten.
Schreiner und Scholl kauerten hinter einem Stapel großer Kisten am vorderen Ende der Ladefläche. Das Warten auf die Weiterfahrt kam ihnen wie eine Ewigkeit vor. Es war unerträglich. Sie durften kein Geräusch von sich geben, sie hatten keine Möglichkeit zu sprechen und saßen flach und unbequem auf der hölzernen Pritsche. Mit Erleichterung vernahmen sie das Getöse als der keuchende, vom Radwechsel reichlich abgekämpfte Fahrer die schwere Werkzeugkiste alleine auf die Pritsche wuchtete. Es kam ihnen wie eine Erlösung vor als sie das Klappgeräusch der beiden Metallriegel vernahmen, mit denen der Uniformierte die Heckklappe verschloss. Es ging ein Beben durch den schweren Lastwagen als der betagte Diesel zum Leben erwachte. Von hinten zog eine übel riechende Wolke dichten Dieselqualm in den Aufbau. Dann ging es los. Die beiden Abenteurer wurden ganz schön durchgeschüttelt auf den anderthalb Kilometern zum Tor, wo ihnen der Atem fast gefror. Beide hielten die Luft an und hofften, der Lkw würde ohne Kontrolle den Schlagbaum passieren dürfen. Tatsächlich wurde der Lkw nicht durchsucht und nach wenigen 100 Metern Fahrt neben einigen anderen Transportfahrzeugen abgestellt.
Der Platz war nicht beleuchtet, doch es fiel Licht aus einem großen Tunnel ins Freie. Scholl schob die Plane am unteren Rand ein Stück hoch und schaute vorsichtig, was draußen vor sich ging. Er hegte die Befürchtung, der Lastwagen könnte gleich entladen und somit die beiden blinden Passagiere entdeckt werden. Doch der Fahrer entfernte sich rasch. Vermutlich hatte die Reifenpanne den Zeitplan reichlich durcheinandergebracht. Eine gute Gelegenheit für Scholl und Schreiner, sich unbemerkt ins Freie zu schleichen und hinter einem großen Dieseltank Deckung zu suchen. Dort berieten die beiden Männer ihr weiteres Vorgehen. Schreiner war gar nicht ganz bei der Sache, seine Gedanken kreisten zu einem großen Teil um seine Ehefrau, die eine Affäre mit seinem Kollegen zu haben schien. Das schmerzte ihn unerträglich. Doch er versuchte, sich so gut es ging zu konzentrieren. Scholl schien bemerkt zu haben, dass plötzlich mit dem Professor irgendetwas nicht stimmte. Doch kam er im Traum nicht darauf, was die Ursache sein könnte. Er schrieb die Geistesabwesenheit des Professors dem nervlichen Druck zu, der auf den beiden tollkühnen Forschern lastete, seit sie beschlossen, auf eigene Faust gegen die mögliche Naziverschwörung zu ermitteln.
„Alles o.k., Simon? Du wirkst so nachdenklich. Hast du Angst, dass wir zu weit gegangen sind und dabei in ernste Schwierigkeiten kommen könnten?“, fragte Scholl nachdenklich. Schreiner antwortete ausweichend und Scholl beschloss, sich auf eigene Faust in den unbewachten Tunnel zu schleichen: „Warte hier Simon, ich bin gut im Training und kann schnell ausbüchsen, wenn die bösen Nazischurken hinter mir her sind. Ich will erstmal schauen, was die in dem Berg überhaupt treiben. Ich hole dich dann, wenn die Luft rein ist. Okay?“
Schreiner willigte ein und versank völlig in Gedanken, nachdem sich sein Partner in den höchst mysteriösen Tunnel begab. Das wurde ihm zum Verhängnis. Er bemerkte zu spät, dass der Fahrer mit einer Gruppe von fünf kräftigen Männern in Arbeitskleidung zurück kam. Während die Männer sich daran machten, den Lastwagen in Windeseile zu entladen, ging der Fahrer mit zwei Reservekanister zum Öltank, um diese aufzufüllen.
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