OCCUPY - Verschwörung aus dem Dunkeln (Gesamtausgabe)
deutsche Botschaft in La Paz einzuschalten. Was meinst du?“
„Es wird sicher nicht einfach, aber wir haben keinerlei Beweise in der Hand. Entweder wir finden eine heiße Spur oder die ganze Sache wird im Sand verlaufen. Was mich betrifft, möchte ich allerdings nicht nachhause fahren mit dem Gefühl, so kurz vorm Ziel die Flinte ins Korn geworfen zu haben und nicht zu erfahren, was wirklich in London passiert ist.“
Simon Schreiner atmete tief durch und legte nach: „Und übrigens, wenn wir schon dabei sind, möchte ich auch noch wissen, was Du hinter meinem Rücken mit meiner Frau treibst.“
Der junge Assistent verlor seine jungenhafte Unbekümmertheit „Hast Du etwa heimlich die SMS gelesen als ich am Wagen war? Das war gar nichts, ich musste ihr nur versprechen, auf Dich aufzupassen. Glaubst Du wirklich, wir könnten Dich betrügen?“
Simon Schreiner schaute verlegen und suchte nach Worten. Da wechselte Scholl das Thema: „Solltest Ruth lieber selbst mal eine SMS schreiben, bevor wir in die Schlacht ziehen. Die Jungs sind bis unter die Zähne bewaffnet und Du bist nicht Bruce Willis.“
Schreiner lachte wieder: „Stimmt, der hätte Dir nämlich vorhin eine reingehauen. Hi, hi. Wenn Dich nachher nicht die Nazis fertigmachen, werde ich Dich vermöbeln, wenn die Sache ausgestanden ist. Aber jetzt lass uns erst mal die bösen Buben zur Strecke bringen. Wir müssen unbedingt rauskriegen, was hier vor sich geht.“
Es schien so als ob sich Schreiner, belastet durch seinen quälenden Verdacht, seine Frau könnte eine Affäre mit seinem Assistenten haben, jetzt erst recht mit aller Macht auf diese seltsame Nazi-Geschichte konzentrieren würde.
Als die Nacht hereinbrach und sich der weite, fahlblaue, von bedrohlich wirkenden grauen Wolken durchsetzte Himmel über der bolivianischen Einöde tiefschwarz färbte, fuhren Schreiner und Scholl mit ihrem Geländewagen ohne Licht mit geringem Tempo über die Feldwege in Richtung des Vulkans. Sie fuhren einen lehmigen, von Schlaglöchern und Pfützen übersäten Feldweg entlang und versteckten den Ford hinter eine einer Gruppe von Bäumen. Dann arbeiteten sich die beiden vorsichtig einen knappen Kilometer zum Zaun vor, der den ganzen Vulkan einschloss. Der Uturuncu war schon seit Ewigkeiten nicht mehr aktiv und es gab aus geologischer Sicht nicht den geringsten Grund, ihn einzuzäunen. Die Ursache war wohl eher bei der seltsamen „Trachtengruppe“ zu suchen, die den beiden deutschen Besuchern am Tag begegnet war. Der Zaun war über zwei Meter hoch, durch drei Reihen Stacheldraht zusätzlich gesichert. Die beiden hatten keine geeigneten Werkzeuge, den Zaun zu durchtrennen. Außerdem bemerkten sie eine Patrouille, die den Zaun von innen regelmäßig kontrollierte. Niedergeschmettert, so dicht vor einer großen Entdeckung aufgeben zu müssen, wollten sich die beiden bereits auf den Rückweg zum Auto machen. Da entdeckte Markus Scholl, der sich am Flughafen in einem Duty Free Shop in weiser Voraussicht ein Nachtsichtglas gekauft hatte, in anderthalb Kilometern Entfernung auf einem Feldweg einen liegengebliebenen Lkw vom gleichen Typ wie das Fahrzeug, das ihnen am Mittag aus der Sicherheitszone um den Vulkan entgegenkam. Scholl reichte das Glas seinem Begleiter: „Sieh mal, schaut ganz so aus, als ob der Fahrer alleine versucht, das linke Vorderrad zu wechseln. Sonst ist niemand dabei. Denkst du was ich denke?“
Schreiner antwortete mit einem kurzen „Yep!"
Schreiner und Scholl schlichen sich vorsichtig durch das hohe Gras von hinten an den Lkw heran. Der Fahrer war darin vertieft, im Licht einer bereits nicht mehr über die volle Batteriekapazität verfügenden Handlampe ganz allein das riesige, schwere Vorderrad abzubauen. Er hatte offensichtlich Probleme, die Schrauben zu lösen, die das Rad an der Achse hielten. Deshalb bearbeitete er sein Radkreuz mit einem Hammer. Der Lärm war bestens geeignet, die Geräusche zu übertönen, die das Anpirschen der beiden Männer verursachte. Sie versteckten sich in sicherer Entfernung vom Lastwagen hinter einem Busch und warteten auf eine gute Gelegenheit, die Straße zu kreuzen und auf die Pritsche des Dreiachsers zu klettern: ein alter Lkw amerikanischer Bauart mit einer nach hinten offenen Stoffplane. Der Fahrer hatte die Pritsche bereits geöffnet, um die große, olivgrün gestrichene Holzkiste mit dem Werkzeug abzuladen. Scholl wurde nervös, er hatte genug vom Warten. Schreiner musste ihn zweimal zurückhalten,
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