OCCUPY - Verschwörung aus dem Dunkeln (Gesamtausgabe)
Dabei bekam es Schreiner mit der Angst zu tun und verließ sein Versteck, um beinahe panisch in die nahe gelegenen Büsche zu rennen. Der Fahrer bemerkte ihn sofort und griff zu einem Sprechfunkgerät an seinem grünen Stoffgürtel, um Alarm zu schlagen. Plötzlich gingen überall auf dem Gelände große Scheinwerfer an, fast wie die Flutlichter auf einem Fußballfeld. Jeder Winkel auf dem Gelände war taghell erleuchtet und Patrouillen mit deutschen Schäferhunden schwärmten in Zweiergruppen aus, um den Eindringling zu stellen. Simon Schreiner joggte zwar gelegentlich, aber war nicht der Sportlichste und vor allem auch nicht mehr der Jüngste. Am kommenden Mittwoch würde er 55 Jahre alt werden – wenn er diesen Tag noch erlebte. Er keuchte wie eine alte Lokomotive als er um sein Leben lief. Ohne es zu wissen, half er mit diesem Alarm seinem Kumpel im Tunnel. Der versteckte sich kurz hinter einigen Munitionskästen als eine Truppe von SS-Männern mit Maschinenpistolen martialisch brüllend ins Freie rannte: „Schnappt das Schwein!“ Für Markus Scholl war nun der Weg frei, um beinahe seelenruhig und unbehelligt ins Innere des Vulkans vorzudringen.
Schreiner rannte verängstigt und aufgescheucht auf dem Gelände herum, wie eine Henne auf dem Hühnerhof, die ihrer Schlachtung entgehen will. Es dauerte keine fünf Minuten, da war der völlig entkräftete Professor von einer Horde von SS-Leuten umstellt. Ein Unteroffizier mit einer Schirmmütze gab aus dem gezogenen Lauf seiner Luger-Pistole einen Warnschuss ab: „Ergeben sie sich, sie sind umstellt und haben keine Chance.“
Angesichts der Übermacht, mit der offensichtlich nicht zu Scherzen war, ließ sich Schreiner nicht zweimal einladen. Er hob reflexartig die Hände hoch und wartete versteinert, bis ihn der Unteroffizier nach Waffen durchsuchte. Der eiskalt dreinschauende, ruppige Uniformträger nahm Schreiner Papiere und Handy ab. Danach führte eine Patrouille den völlig verängstigten Professor ab.
Die Eskorte, die Schreiner abführte, bestand aus vier einfachen Soldaten in grünen Uniformen mit Wehrmachtsstahlhelm und einem Offizier. Zwei der Nazischergen stolzieren im Stechschritt vorneweg, die anderen beiden folgten dem Gefangenen mit Maschinenpistolen im Anschlag. Der Offizier in der schwarzen Naziuniform, den Abzeichen nach identifizierte ihn Schreiner als Hauptmann, stolzierte ein paar Meter vor den anderen genau auf eine Höhle zu, die fünfzig Meter neben jenem Tunnel lag, im dem Scholl spurlos verschwunden war. Dem Professor war ausgesprochen mulmig zu Mute. Würden sie ihn inhaftieren, oder würden Sie ihn liquidieren? Aus ihren finsteren Minen konnte Schreiner nichts ablesen. Selbst wenn ihnen Scholl entkommen sein sollte, hätte er gegen ihre Maschinenpistolen nichts ausrichten können. Schreiner war seinen Bewachern hilflos ausgeliefert und rechnete mit dem Schlimmsten.
Der Eingang der Vulkanhöhlen war etwa vier Meter breit und drei Meter hoch. Lastwagenspuren auf dem Boden verrieten, dass hier ein reger Betrieb herrschte und dass sich dahinter eine Menge mehr verbergen musste als nur eine kleine feuchte Grotte. Das wiederum ließ den verängstigten Schreiner hoffen, Sie würden ihn nicht einfach in einer stillen Ecke liquidieren. Die fünf Soldaten und ihr Gefangener marschierten einen durch Deckenleuchten spärlich erhellten Gang entlang, der sich scheinbar endlos durch das Innere des Vulkans zog. In der Luft lag ein leicht stechender Schwefelgeruch. Das Brummen von Aggregaten übertönte den Widerhall der im Gleichschritt voranschreitenden Militärstiefel. Plötzlich sah Schreiner zwei Scheinwerfer näher kommen. Mit lautem Getöse schob sich ein olivgrüner Militär-Lkw durch den Tunnel voran. Er kam genau auf sie zu. Wortlos stieß der Soldat links hinten den völlig überraschten Schreiner mit beiden Armen zur Seite und drückte ihn mit seiner Waffe im Kreuz an die Wand. Die anderen Soldaten machten sich schmal und lehnten sich ebenfalls an die Tunnelwand bis der Lkw mit einem ohrenbetäubenden Motorenlärm an ihnen vorbeigefahren war. Es handelte sich um einen Kerosin-Tankwagen. Schreiner musterte aufmerksam das Fahrzeug und versuchte, das bizarre Treiben unter Tage zu verstehen.
„Los, Mann, hier gibt’s nicht zu gaffen.“ Der grimmige Gesichtsausdruck des Soldaten ließ keinen Zweifel daran, dass mit dieser Truppe nicht zu Scherzen war. Die Gefangeneneskorte leitete Schreiner noch etwa 50 Meter den Gang entlang bis sie an
Weitere Kostenlose Bücher