hätte ich noch vor einem Jahr nicht über die Lippen gebracht, obwohl sie damals schon genauso wahr gewesen waren.
»Was ist, wenn ich dir nur einen Monat geben kann?«, fragte er mit leiser Stimme.
Mein Herz wurde schwer. Hieß das, er wollte noch vor Ferienende an die Uni zurückkehren? Vielleicht glaubte er wie Charlotte, dass man eine Trennung lieber früher als später hinter sich bringen sollte.
Aber was spielte das schon für eine Rolle?
»Dann nehme ich den Monat«, erwiderte ich.
Er zog mich näher heran und hob das Gesicht, so dass seine Lippen auf der Höhe von meinen waren. »Vielleicht auch bis zum Ende des Sommers?«
»Das wäre noch besser.«
Sein Mund kam näher. »Oder für alle Ewigkeit?«
In meinem Magen schien ein Feuerwerk zu explodieren und sandte Hitzewellen durch meinen ganzen Körper. »Ja.«
Die darauf folgenden Küsse fühlten sich anders an als alle bisherigen. Selbst unser romantischer Moment auf der Holzbrücke ließ sich nicht damit vergleichen. Seine Lippen waren gleichzeitig sanft und drängend, weich und fordernd, liebevoll und leidenschaftlich. Vermutlich hätten wir uns weitergeküsst, bis die Sonne aufging und warmes Morgenlicht unsere Körper einhüllte – wäre nicht plötzlich eine Tür unter uns zugeknallt worden.
»Simon?«, rief Caleb.
»Vanessa?«, rief Paige.
Wir lösten uns voneinander und sprangen auf. Simon nahm meine Hand, und wir hielten einander fest, während wir nach unten rannten.
»Was ist los?«, fragte er, bevor wir bei der letzten Stufe angekommen waren.
Paige schob die Fastfood-Kartons beiseite, die über den Tisch verstreut standen, so dass Caleb sein Notebook abstellen konnte. Dann hockten sie beide auf dem Rand des Sofakissens und starrten auf den Bildschirm.
»Meine Annonce im Herald «, sagte Caleb. »Jemand hat darauf geantwortet.«
»Du hast deine E-Mail-Adresse öffentlich gemacht?«, fragte ich ungläubig und folgte Simon um den Couchtisch herum.
»Nein, ich habe dafür extra eine neue eingerichtet.«
»
[email protected]«, las Paige vom Bildschirm ab. »Gute Idee.«
»Danke.« Calebs Finger huschten über die Tastatur. »Ich war nicht sicher, ob die WLAN -Verbindung von unserem Haus bis hier reicht, also habe ich die Nachrichten gespeichert, ohne sie erst zu lesen. Es gab nämlich mehrere.«
Wir schwiegen gespannt, während die Liste mit den E-Mails hochgeladen wurde.
»Die stammen alle von verschiedenen Adressen«, stellte Paige fest.
»Ja, und die Namen sehen so erfunden aus wie deiner.« Simon beugte sich näher heran. »Nur zufällige Buchstaben- und Zahlenkombinationen.«
»Außerdem haben alle Nachrichten einen Anhang«, stellte ich fest und betrachtete die winzigen symbolischen Büroklammern. »Was soll denn das? Hat der Absender vielleicht die ganzen Bilder noch mal geschossen, um zu beweisen, dass die Kamera wirklich ihm gehört?«
»Du gehst davon aus, dass es nur einen Absender gibt«, erwiderte Paige, »nämlich den Kamerabesitzer. Aber was sollen dann die verschiedenen Adressen?«
Unsere Fragen wurden nicht weniger, sondern mehr, als wir die E-Mails öffneten. Denn jede enthielt ein einziges Foto ohne Text, und die Bilder sagten uns überhaupt nichts. Es gab Naturaufnahmen, Felsen, Grasflächen und auch Gebäude aus Winter Harbor wie Eddies Eisladen, die Bücherei und die Minigolfanlage. Auf den Stadtfotos waren auch Menschen zu sehen, allerdings schienen sie zufällig auf die Bilder geraten zu sein und wirkten ahnungslos. Keine Person stand auffällig im Mittelpunkt.
»Mehr gibt es nicht«, erklärte Caleb, als wir das letzte Foto geöffnet hatten.
»Kannst du die GPS -Daten anzeigen?«, fragte Simon.
Caleb tippte noch ein paar Befehle ein. »Nein, keine Koordinaten. Anscheinend ist die Person klüger geworden und hat die GPS -Funktion auf der neuen Kamera ausgeschaltet.«
Er blätterte noch einmal langsam durch die Bilder. Ich suchte nach einer Verbindung zwischen den Szenen, als Paige die Hand auf Calebs Arm legte und ihn am Weiterklicken hinderte.
»Die junge Frau dort.« Paige zeigte auf den Bildschirm. »Sie ist auf jedem Foto, auf dem Menschen zu sehen sind.«
»Woher willst du das wissen?«, entgegnete Caleb. »Hier kann man nicht mal ihr Gesicht erkennen.«
»Grüne Handtasche und pinkfarbene Schuhe«, sagte Paige. »Das ist schwer zu übersehen.«
Wie sich herausstellte, hatte sie recht. Die junge Frau war geknipst worden, während sie sich ein Eis kaufte, den Minigolfball ins