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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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Paige fragte Dad, welche Kurse er dieses Semester anbot, und löste damit einen zwanzigminütigen Monolog aus. Und ich sagte kein einziges Wort, während ich mein Frühstück verzehrte und an die Tausende von Mahlzeiten dachte, die ich an genau diesem Tisch eingenommen hatte, mit den gleichen Pfannkuchen und den gleichen Gesprächen – ohne zu ahnen, was meine Familie alles vor mir verbarg.
    Ich war froh, als wir aufbrechen mussten. Zwar freute ich mich nicht gerade auf die Schule, aber immerhin hatte ich dadurch einen Grund, für ein paar Stunden aus dem Haus zu kommen.
    »Habt ihr auch alles?« Mom lief uns durchs Wohnzimmer nach. »Schulhefte? Fahrkarten? Geld fürs Mittagessen?«
    »Ja, haben wir alles.« Ich öffnete die Tür und ging die Stufen hinunter. Es würde noch einige Wochen dauern, bis der Herbst die erdrückende Hitze in der Stadt vertrieb. Die Luft war schwül und ich konnte regelrecht fühlen, wie meine Poren aufploppten. Mein Gesicht war sofort schweißüberströmt. Ich konnte nur hoffen, dass ich genug Salzwasser mitgenommen hatte, um während des Schultages nicht auszutrocknen.
    »Seid ihr sicher, dass ich euch nicht fahren soll?«, fragte Mom als Nächstes und erschien in der offenen Haustür.
    Dad stellte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Taille. »Die beiden kommen schon zurecht.«
    Mom sagte nichts mehr, aber sie hatte die Brauen zusammengezogen, und ihre Nasenspitze war gerötet, was immer ein sicheres Zeichen war, dass sie sich Sorgen machte oder gestresst war. Die Szene sah aus wie an dem Junimorgen, als ich ganz allein nach Winter Harbor aufgebrochen war und eine Autostrecke vor mir gehabt hatte, die zehnmal so lang gewesen war wie alle meine bisherigen Fahrten.
    Damals hatte ich wegen Mom schon ein schlechtes Gewissen gehabt, aber diesmal sah sie noch mitgenommener aus. Ihr Anblick brachte mich dazu, die Stufen wieder hinaufzulaufen und ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Ich bin bald zurück.«
    Ich wollte mich gerade wieder umdrehen, als Dad sich mit ausgestrecktem Arm vorbeugte und eine ähnliche Abschiedsgeste zu erwarten schien. Eine peinliche Pause entstand, während ich innerlich abwägte, wie ich reagieren sollte. Schließlich drückte ich ihm die Hand und rannte dann zurück zu Paige.
    »Lass uns durch den Park gehen«, schlug ich ihr vor. »Das ist eine Abkürzung.«
    In Wirklichkeit dauerte die Strecke eine Viertelstunde länger, doch den direkten Weg hatten Justine und ich immer genommen, und zu diesem Trip war ich noch nicht bereit. Außerdem begann sich nun, da wir aus dem Haus waren, mein Magen zu melden. Schon seit Tagen hatte ich Schmetterlinge im Bauch gehabt, und jetzt fühlte es sich an wie ein wütender Hornissenschwarm.
    Zum Glück war Paige eine gute Ablenkung. Sie fragte mich über sämtliche Touristenattraktionen aus, an denen wir vorbeikamen, von den Amphibienbussen und dem Stadtpark bis hin zur alten Feuerwache, und ich schaffte es, alles zu beantworten. Wir beide waren zwar noch nicht lange befreundet, aber wir hatten genug gemeinsam durchgestanden, um zu wissen, wann die andere nicht über Probleme reden wollte. Was bedeutete, dass ich in den letzten Wochen mehr über Hummersuppe und Restaurantmanagement erfahren hatte, als ich je hatte wissen wollen, während Paige sich in Boston besser auskannte als jeder Stadtführer. Dummerweise musste ich regelmäßig daran denken, wie stolz Justine auf mich gewesen wäre, weil ich diese Ablenkungsmethode benutzte – und das war schließlich nicht gerade der Sinn der Sache.
    »Vanessa?«, rief eine weiche Stimme.
    Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Paige langsamer wurde und einen Blick über die Schulter warf.
    »Vanessa!«
    Ich marschierte weiter, wollte die Stimme hinter mir lassen, doch die hastigen Schritte kamen näher, und dann spürte ich den sanften Druck einer Hand auf meinem Rücken.
    »Natalie«, sagte ich und drehte mich um. Vor mir stand eine von Justines engsten Freundinnen und schaute mich mit schräggelegtem Kopf an. »Hi. Ich dachte, du wärst jetzt schon in Stanford.«
    »Ich gehe stattdessen in Boston zur Uni, ans MIT. Eigentlich hatte ich denen schon abgesagt, aber mein Vater hat rumtelefoniert und mir doch noch einen Platz besorgt. Nach Justine … nach allem, was passiert ist …«
    Verkrampft schaute ich zu Boden und suchte nach den richtigen Worten. Genauso hatte ich mir meinen ersten Tag vorgestellt. Ich war noch nicht einmal in der Schule angekommen, und schon ging es

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