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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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Malerin arbeitete an einem Stilleben: Äpfel, Birnen, Fasane und dergleichen, tote Fasane, wohlgemerkt, ein Stilleben eben. Sie hielt das Köpfchen leicht zur Seite geneigt. Die rabenschwarzen Haare umrahmten gefällig ihr Gesicht. Wenn auch noch ein Klavier dagewesen wäre, man hätte nicht den geringsten Zweifel gehegt, es handle sich um die andere, die aus Hollenberg. Indes war es die aus Bad Hollen. Zwei Wassertropfen, ich sag’s ja. Ein Wunder, was die Natur fertigbringt, wenn sie es drauf anlegt. Unglaublich. Wirklich.
    »Professor Bartleboom, welche Überraschung!« zwitscherte sie.
    »Guten Tag, Fräulein Ancher«, antwortete er und fügte sogleich hinzu: »Anna Ancher, nicht wahr?«
    »Ja, warum?«
    Er wollte sichergehen, der Herr Professor. Man weiß ja nie.
    »Was hat Sie hierhergeführt, um mich mit Ihrem Besuch zu beglücken?«
    »Dies hier«, antwortete Bartleboom ernst, indem er die Mahagonikassette vor sie hinstellte und sie unter ihren Augen öffnete.
    »Auf Sie habe ich gewartet, Anna. Jahrelang habe ich auf Sie gewartet.«
    Die Malerin streckte die Hand aus und schloß die Kassette mit einem Ruck.
    »Bevor wir unsere Unterhaltung fortführen, ist es angebracht, Sie von etwas in Kenntnis zu setzen, Professor Bartleboom.«
    »Was immer Sie wollen, meine Angebetete.«
    »Ich bin verlobt.«
    »Ach was?«
    »Vor sechs Tagen habe ich mich mit Leutnant Gallega verlobt.«
    »Eine hervorragende Wahl.«
    »Danke.«
    Bartleboom ging im Geiste die sechs Tage zurück. Das war der Tag gewesen, an dem er, von Rulzen kommend, in Colzen ausgestiegen war, um nach Alzen zurückzufahren. In der Mitte seines Leidenswegs, mit einem Wort. Sechs Tage. Sechs elende Tage. Nebenbei bemerkt war dieser Gallega ein wahrer Parasit, wenn Sie verstehen, was ich meine, ein nichtssagendes Wesen und in gewisser Hinsicht sogar ein Schädling. Eine Zumutung. Ausgesprochen. Eine Zumutung.
    »Möchten Sie, daß wir nun fortfahren?«
    »Ich glaube, das ist nun nicht mehr angebracht«, antwortete Bartleboom und nahm seine Mahagonikassette wieder an sich.
    Auf dem Weg, der ihn zu seinem Hotel zurückführte, bemühte sich der Professor, seine Lage kaltblütig zu analysieren, und kam zu dem Schluß, daß es zwei Möglichkeiten gab (wie man bemerkt haben wird, kommt dieser Sachverhalt mit einer gewissen Häufigkeit vor, da es im allgemeinen zwei und nur selten auch drei Möglichkeiten gibt): Entweder war dies nur ein bedauerlicher Stolperstein, und in dem Fall mußte er den oben erwähnten Leutnant Gallega zum Duell herausfordern und ihn aus dem Weg räumen. Oder aber es handelte sich um einen deutlichen Wink des Schicksals, eines großmütigen Schicksals, und in dem Fall mußte er schnellstens nach Hollenberg zurückkehren und Elisabeth Ancher, die unvergessene Pianistin, heiraten.
    Um es einmal klar auszudrücken, Bartleboom haßte Duelle. Er konnte sie auf den Tod nicht leiden.
    »Tote Fasane«, dachte er mit einem gewissen Abscheu. Und beschloß abzureisen. Am Morgen saß er auf seinem Platz in der ersten Kutsche und schlug noch einmal die Straße nach Hollenberg ein. Er war in heiterer Stimmung und nahm mit wohlwollender Aufmerksamkeit die Kundgebungen freudiger Zuneigung auf, die ihm von Ort zu Ort die Bevölkerung der Dörfer Pozel, Colzen, Tozer, Rulzen, Palzen, Alzen, Balzen und Fazel entgegenbrachte. Sympathische Menschen, wie schon gesagt. Zur Abenddämmerung erschien er, untadelig gekleidet, mitsamt seiner Mahagonikassette im Hause Ancher.
    »Das Fräulein Elisabeth, bitte«, sagte er mit einer gewissen Feierlichkeit zu dem Diener, der ihm die Tür öffnete.
    »Sie ist nicht da, mein Herr. Sie ist heute morgen nach Bad Hollen gefahren.«
    Unfaßbar.
    Ein Mann mit anderer moralischer und kultureller Bildung hätte womöglich von vorn angefangen und die erste Kutsche genommen, die nach Bad Hollen fuhr. Ein Mann mit geringerer psychischer und nervlicher Stärke hätte sich vielleicht hinreißen lassen, der endgültigen und unheilbaren Verzagtheit auf roheste Weise Ausdruck zu verleihen. Bartleboom jedoch war ein rechtschaffener und gerechter Mann, einer von denen, die einen gewissen Stil an den Tag legen, wenn es darum geht, die Launen des Schicksals hinzunehmen.
    Er, Bartleboom, begann zu lachen.
    Und zwar sich totzulachen, geradezu aus vollem Halse, er bog sich vor Lachen, war durch gar nichts mehr zu bremsen, mit Tränen und allem, was dazugehört, ein Schauspiel, ein babylonisches, ozeanisches, apokalyptisches Gelächter, das

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