Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
er sich. Warum nicht ein einziger Mensch? In diesem Moment trat Zila ins Zimmer, in der Hand ein Tablett mit Kaffee und einem frischen Brötchen, und unter den Arm hatte sie eine Mappe geklemmt, eine grüne Mappe.
Siebzehntes Kapitel
»Dann behaupten Sie eben, daß es Fingerabdrücke gibt, dieses Spiel haben wir doch schon öfter gespielt. Passen Sie auf, was sie sagen, wie sie reagieren. Muß ich Ihnen etwa beibringen, wie man jemanden festnimmt?« sagte Arie Levi ungeduldig. »Und diesen Klein lassen wir nicht laufen, auf keinen Fall vor dem Detektorverhör. Jeden Tag gibt es eine neue Spur, zum Verrücktwerden.« Der Polizeichef trank einen Schluck Kaffee, und alle warteten schweigend. Michael war noch immer angespannt wegen der Reaktionen auf die Affäre Klein, die er eigentlich erwartet hatte, aber erstaunlicherweise hatte niemand eine dumme Bemerkung gemacht. Allerdings, dachte Michael, weiß auch niemand etwas von dem gemeinsamen Mittagessen, von meinem Wunsch nach Brüderlichkeit und Nähe. Eigentlich, fiel ihm plötzlich ein, kann das auch niemand verstehen. Die Tatsache, daß er einige Nächte hintereinander nicht geschlafen hatte, machte ihn besonders verletzlich. Alles kam während der Sitzung verschwommen an die Oberfläche, auch sein Schmerz wegen Maja. »Ich möchte heute noch eine zusätzliche Sitzung vereinbaren, bevor Sie fahren, und Sie können schon gleich gehen und das Geld abholen. Alles andere wird in der Personalabteilung erledigt.« Er wandte sich an Awidan, den Verbindungsoffizier. »Was meinen Sie?« Awidan nickte ein paarmal mit dem Kopf.
Um halb zehn Uhr morgens saß Ruchama Schaj vor ihm und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen das Aufnahmegerät. »Ich habe das noch nie gehört«, wiederholte sie, »nie.«
»Tatsache ist, daß wir Ihre Fingerabdrücke auf der Kassette gefunden haben«, beharrte Michael.
»Dafür habe ich keine Erklärung«, sagte sie und breitete die Hände aus. »Ich habe Scha'ul nach dem Donnerstagmorgen nicht mehr gesehen, und auch da habe ich ihn nur in seinem Zimmer an der Universität getroffen, ich war nicht mit ihm in seinem Auto. Ich weiß nicht, wie sich das erklären läßt.«
Michael zog die Kassette aus dem Gerät und legte sie vor Ruchama auf den Tisch.
Etwas blitzte in ihren Augen auf. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie mit ängstlichem Blick, »aber vielleicht habe ich sie doch schon mal gesehen, aber ich weiß nicht, wo. Vielleicht in Scha'uls Zimmer, vielleicht bei ihm zu Hause. Ich erinnere mich nicht mehr daran. Vielleicht bei Tuwja? Nein, ich weiß es nicht. Ich bin auch nicht sicher, ob es diese Kassette ist, aber mir kommt es vor, daß ich so ein Ding schon gesehen habe. Vielleicht bei Tuwja, vielleicht, als ich die Schlüssel aus seiner Tasche genommen habe? Irgendwann habe ich eine Kassette gesehen, die so ähnlich aussah, auch ohne Etikett.« Sie sprach ganz unschuldig. Michael betrachtete ihr Gesicht und wußte, daß sie nicht verstand, um was es ging.
Er fragte sich, auf welche Art diese Kassette, wenn überhaupt, zu Tuwja Schaj gelangt sein könnte, und dann, aus einem plötzlichen Einfall heraus, fragte er: »Wissen Sie, wann Ihr Mann Ido getroffen hat, bevor er umkam? Ich meine, vor der Fakultätssitzung. Vor dem Freitagmorgen?«
Ruchama Schaj betrachtete ihre Finger und schwieg einige Minuten. Endlich sagte sie: »Nun, sie haben sich auch an der Universität getroffen, ich nehme an, jeden Tag.«
»Auch?« fragte Michael. »Was heißt das, auch?«
»Nach dem Fakultätsseminar am Mittwoch abend ist Ido mit zu uns gekommen. Er wollte mit Tuwja reden, aber ich weiß nicht, worüber sie sich unterhalten haben, ich bin schlafen gegangen.« Sie hatte schnell gesprochen, als weigere sie sich nachzudenken, ob sie das sagen solle oder lieber nicht.
Wieder betrachtete Michael dieses mädchenhafte Ge- sicht, die Lippen, die dem Gesicht etwas Vorwurfsvolles verliehen. Er sah die geschwollenen Ringe unter ihren Augen. Er wußte, daß sie ihre Zeit mit Schlafen verbrachte. Alle Ängste, alle Schrecken der letzten Woche mündeten bei ihr im Schlafen. »Zur Arbeit und dann schlafen. Keine Einkäufe, kein Kochen, keine Menschen, nichts! Gar nichts! Sie verhält sich, als sei sie schwer krank«, hatte Elfandari das Ergebnis der Ermittlung zusammengefaßt. »Über eine Woche lebt sie jetzt so, und wenn man in der Wohnung keine Schritte hören würde, könnte man denken, dort lebe niemand: Sie reden kein Wort miteinander, und am Telefon
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