Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
tatsächlich bin ich auf ein Paket gestoßen, und jemand hat es abgeholt, aber ich weiß nicht, wer, die Unterschrift ist nicht zu entziffern.«
»Hast du mit dem Postangestellten gesprochen? Erinnert er sich an den Abholer?«
»Hab' ich, es ist eine Frau. Sie erinnert sich nicht, die Nummer vom Personalausweis ist notiert, aber sie sagt ehrlich, daß sie nicht besonders drauf achtet, daß jemand seinen Ausweis zeigt, weil sowieso alle von der Uni sind. Nun, ab jetzt wird sie schon aufpassen. Die Nummer, die dort steht, gehört zu keinem Ausweis der betreffenden Leute.«
Michael trommelte mit den Fingern auf den Tisch, während er laut nachdachte: »Wenn Klein im Ausland war, wer wußte dann, daß ein Paket für ihn ankommen sollte? Wer hat den Zettel aus seinem Fach geholt? Wer hatte überhaupt Zugang zu seinem Fach?«
»Keine Ahnung«, sagte Elfandari, »nicht daß ich nicht versucht hätte, es rauszukriegen, aber die Sekretärin war nicht da, und von den anderen konnte mir niemand die Frage beantworten.«
»Und das junge Mädchen, das ihr hilft?« fragte Michael ungeduldig.
»Ach, die, sie hat frei, weil sie bald eine Prüfung hat. Sie wird irgendwo sitzen und lernen, vielleicht zu Hause. Willst du, daß wir sie ausfindig machen?«
»Woher weißt du, daß sie frei hat?«
»Vor dem Sekretariat habe ich die Große da getroffen, Zelermaier. Sie war ganz nervös.«
»Warum?« fragte Michael, und Elfandari beschrieb ausführlich, wie Schulamit Zelermaier sich über die Sekretärin erbost hatte, die sich den passenden Zeitpunkt ausgesucht hatte, um zum Zahnarzt zu gehen, genau wenn Racheli frei hatte, und ob das nicht bis morgen Zeit gehabt hätte. »Das ist eine Type, sag ich dir«, beendete Elfandari vergnügt seinen Bericht.
Michael wählte die Telefonnummer von Kleins Haus. Niemand antwortete. Er versuchte es in Kleins Zimmer auf dem Har ha-Zofim, und auch dort ging niemand dran.
»Eins steht fest«, sagte Elfandari und lehnte sich zurück, »er war jedenfalls im Ausland.« Dann richtete er sich plötzlich auf. »Man kann herkommen und gleich wieder zurückfahren«, sagte er langsam. »Aber das hört sich zu kompliziert an, zwei Wochen vor dem Zeitpunkt, an dem er sowieso gekommen wäre, aus Amerika herfliegen, ankommen und dann wieder zurückfliegen, das ist unwahrscheinlich.«
Nein, überlegte Michael. »Wir haben den Flug nachgeprüft, die Flugnummer, er ist wirklich am Donnerstag gekommen. Aber jetzt müssen wir noch mal kontrollieren, ob er zwei Wochen vorher New York für ein paar Tage verlassen hat...« Rafi Elfandari blickte Michael geduldig an. Michael streckte sich und wurde entscheidungsfreudiger. »Die Frage ist, wer das ganze Jahr über für ihn die Post aus dem Fach geholt hat«, sagte er. »Ich habe da so eine Vermutung.«
»Aber Frau Lifkin ist beim Zahnarzt«, wandte Elfandari ein.
»Nun, jede Zahnbehandlung ist mal zu Ende«, sagte Michael. »Sie wird zurückkommen. Sag Zila, sie soll alle paar Minuten dort anrufen und schauen, ob sie schon da ist. Und treib mir ihre Aushilfe auf, von mir aus kann ich sie dort treffen, sie muß nicht extra herkommen. Sobald ich mit ihr gesprochen habe, werden wir klüger sein. Und jetzt nehme ich mir Herrn Schaj vor.«
Elfandari sammelte die leeren Kaffeetassen ein, sah zu, wie Michael den Zettel sorgfältig zusammenfaltete und in seine Hemdtasche steckte, dann ging er zur Tür. »Gute Arbeit, Rafi«, sagte Michael. Rafi winkte ab, und Michael wußte, daß er sein Erstaunen zu spät und nicht begeistert. genug gezeigt hatte.
Aber er hatte nicht viel Zeit, den Fehler zu bedauern, denn schon saß Tuwja Schaj vor ihm. Wieder spürte er, daß dieser Mann keine Angst hatte, daß ihn das, was geschah, eigentlich nicht interessierte. Daß sein Geist nicht hier war. Er beschwerte sich mit keinem Wort über die Verhöre, die allmählich zu einer Routineangelegenheit wurden. Michael deutete auf die Kassette. Tuwja Schaj betrachtete sie und sagte kein Wort. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Nur in dem Moment, als er die tiefe, rauhe Stimme hörte, nachdem Michael auf den Abspielknopf gedrückt hatte, zuckte er zusammen, doch sofort sah sein Gesicht wieder aus wie zuvor.
»Sie kennen das«, sagte Michael.
Tuwja Schaj zuckte mit den Schultern. »Ich kenne alle Gedichte Tiroschs. Jedes Wort.«
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte Michael und wartete.
Der Mann ihm gegenüber machte keine Anstalten, das Schweigen zu unterbrechen.
»Ich habe diese
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