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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Aufrichtigkeit sogar Solomons selbstgerechtes Auftrumpfen milderte. Mit halbem Ohr, wobei er noch die blauen Male auf den steifen Oberschenkeln und die glänzend rot lackierten Zehennägel studierte und in Gedanken der Konfrontation mit Balilati nachhing, hörte er Ja’ir sagen: »Es gab dort Unmengen von Autos, einfach unvorstellbar, eins am anderen, und zwei Verkehrspoli zistinnen, die einfach nicht in der Lage waren ... auch nur ein klein bisschen Ordnung dort reinzubringen, hat mich allein schon zwanzig Minuten gekostet, ausgerechnet da fehlten natürlich Polizisten und ...«
    »Hauptsache, Sie sind jetzt hier«, hatte Dr. Solomon schließ lich gemurmelt und, nachdem er das weiße Laken ein gutes Stück weit vom Operationstisch weggeschleudert hatte, die Arme ausgebreitet und mit halber Verbeugung gesagt: »Bitte schön.«
    Wachtmeister Ja’ir, der sehr dicht neben Michael stand, blickte auf die Leiche, die sich seinen Augen darbot. Von Kopf bis Fuß besah er sie sich und murmelte dann: »Ist es nicht schade um diese ganze Schönheit?«
    »Schade, schade, schade, sprach zum Apfel eine Made«, trällerte Dr. Solomon, »und warum tragen Sie keine Handschuhe?« Mit zwei Fingern rückte er den Steg seiner dicken Hornbrille zurecht und rieb sich danach mit dem Handrücken sein knolliges Kinn, was seinem Profil eine gewisse Ähnlichkeit mit einer alten Hexe verlieh, während er mit seiner Linken die Operationsmaske befingerte, die von seinem Hals herabbaumelte.
    »Ich ... ich dachte nicht, dass ... ich habe ja nicht vor ... ich muss nichts anfassen«, erwiderte Ja’ir besorgt.
    »Man kann nie wissen«, sagte Dr. Solomon, und in seinen Augen glomm ein belustigter Funke auf beim Anblick des bangen Gesichts des jungen Wachtmeisters. Rasch zog er die Maske über sein Gesicht und gab seinem Assistenten, der in gespannter Haltung im grünen Kittel neben ihm stand, mit dem Kopf ein Zeichen, worauf dieser zu einer Ecke des Raumes hastete. Die Tür des hohen Stahlschranks ächzte und kreischte unter seiner Hand, als er sie öffnete. Er wühlte in den Fächern herum und kehrte dann mit zwei Paar Latexhandschuhen und zwei weißen Masken zurück. Wortlos reichte er sie Wachtmeister Ja’ir und Michael.
    »Sie sind neu hier«, bemerkte Dr. Solomon mit einem Blick auf Ja’ir, »wo ist Eli Bachar? Mir fehlen seine käsigen Wangen, wie leichenblass er sofort immer wurde, wenn er hier hereinkam. Und Balilati?« Er grinste. »Unser Herr des Schreckens, der sich schon davor fürchtet, auch nur einen Fuß hier hereinzusetzen.« Er drückte auf den Knopf seines Aufnahmegeräts, und nachdem er das Halsmikrofon kontrolliert hatte, sprach er leise das Datum hinein und eine kurze Beschreibung des Leichnams vor der Obduktion.
    Gerade in der nun eintretenden Stille, als der Pathologe das Messer über die Stirn führte, erlaubte sich Michael das Eingeständnis, wie sehr ihn Dr. Solomons melodiöser Singsang reizte. Er war jedenfalls das Auffallendste an dem Arzt. (»Ist er deswegen Pathologe geworden?«, hatte sich Balilati einmal be schwert, der seine Abwesenheit bei Obduktionen im Allgemeinen mit mörderischen Kopfschmerzen und auch mit diesem nervtötenden Gesumme entschuldigte, »weil ihn die Toten nicht beim Singen stören? Der singt ja sogar noch beim Essen, Kantor hätte er werden sollen«.) Michael, der nun den Geräuschen der Klinge und des Aufnahmegeräts lauschte, das der Assistent in dem Augenblick eingeschaltet hatte, als das Messer die bläulich verfärbte Haut berührte, dachte, dass das Summen möglicherweise von dem Zucken ablenken sollte, das alle paar Sekunden über die linke Gesichtshälfte des betagten Pathologen huschte, vom Mundwinkel ausgehend bis hoch zum Auge, das er dann fest zukniff. Jetzt führte er den Schnitt über den Hinterkopf weiter, und nachdem er den Schädel behutsam wieder auf das Metallgestell hatte zurücksinken lassen, zog er mit einer einzigen Bewegung die komplette Kopfhaut mitsamt der Haarflut ab.
    »Sie sehen, ich trenne das nicht zur Gänze ab«, äußerte er sich, an Wachtmeister Ja’ir gerichtet, »es hängt noch zusammen, und nachher klappen wir es wieder zurück.«
    »Ja, ja«, äußerte sein Gehilfe schnell, als habe die Erklärung ihm gegolten. Er hatte einen schweren russischen Akzent, den die Maske nicht dämpfen konnte. Rasch fügte er noch hinzu: »Das habe ich schon öfter gesehen.«
    »Holen Sie mir ein Vergrößerungsglas aus der Jackentasche und eine Pinzette«, sagte Solomon

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