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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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scharf, und der Assistent eilte zum Stahlschrank, neben dem die Jacke des Pathologen hing, zog ein Vergrößerungsglas aus der Tasche, suchte dann zwischen den Instrumenten auf dem Tablett herum und hielt ihm eine feine Greifzange hin. »Es gibt keine Pinzette, nur das da«, sagte er in erschrecktem Ton.
    »Dann eben das da«, erwiderte der Pathologe und beugte sich über die Gesichtsmasse.
    »Hier!«, rief er aus und wedelte mit der Zange, »habe ich nicht zu Balilati gesagt, dass ich es vor euch finden würde? Hab ich’s gesagt oder nicht?«
     
    Die wiederholte Nennung von Balilatis Namen rief bei Michael eine gewisse Gereiztheit hervor. Noch immer hallte in seinem Kopf das Echo des Zusammenstoßes mit dem Nachrichtenoffizier wider. Balilati war in Wahrheit der Grund gewesen, weshalb er sich verspätet hatte. Als er mit Wachtmeister Ja’ir vor dem Polizeipräsidium am Migrasch Harussim eintraf, nachdem er den Abtransport der Leiche aus dem Dachspeicher überwacht hatte, erwartete ihn Ada Efrati am Eingang des Gebäudes. »Hast du schon eine Aussage gemacht?«, fragte er sie, doch sie schüttelte nur den Kopf. »Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie mit bebender Stimme.
    »Aber dazu brauchst du mich doch nicht, jeder kann ...«, setzte er verwundert an.
    »Ich«, sagte Ada Efrati und schüttelte heftig ihren Kopf, »ich rede kein Wort mit diesem Balilati, ich will diese Kreatur schlicht und einfach nicht mehr sehen und auch seinen Gehilfen nicht. Und niemand wird mich dazu zwingen.« Ihre Stimme wurde schärfer, und unverhüllter Zorn war darin hörbar, als sie fort fuhr: »Seit Jahren höre ich davon, dass die Dinge hier so gehandhabt werden, aber ich habe es nie geglaubt.«
    Michael blickte sie besorgt an, versuchte, seinen sich beschleunigenden Atem unter Kontrolle zu halten: »Was ist los? Vielleicht erklärst du mir, was passiert ist.«
    »Er ...«, sagte sie mit erstickter Stimme, »er hat ihn in einen Raum nach unten gebracht, aber wir wollten nicht, dass er ihn alleine mitnimmt und ...«
    »Langsam, langsam«, bat Michael, »wer? Wer hat wen mitgenommen?«
    »Diese Kreatur, Balilati, mit noch einem Kerl, von dem er sagte, das sei sein Assistent, sie haben Im’ad in ein Zimmer nach unten mitgenommen und ...«
    »Im’ad? Der Bauleiter aus Beit Jala?«
    »Im’ad Abu Salach, weil er Palästinenser ist, haben sie ihn nach unten gebracht, Schuschi, die Architektin, und ich sind mitgegangen, sie ist unten geblieben, und ich habe hier auf dich gewartet, weil ...«
    »Was soll das heißen, ›nach unten‹?«
    »Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass er uns von ihm getrennt hat, er sagte uns, wir sollten oben warten, aber wir sind trotzdem hinuntergegangen. Dieser Balilati ist nach drei Minuten aus dem Zimmer herausgekommen und sein Gehilfe zwei Minuten später, und Im’ad ist dort drinnen geblieben, eingeschlossen. Und nach einer Stunde – wir standen an der Tür auf dem Gang – ist immer noch nichts passiert. Ich habe versucht, die Tür zu öffnen – sie ist abgesperrt. Sie haben ihn einfach da drin eingeschlossen, eine Stunde lang, ohne irgendetwas zu sagen ... und bei Im’ad ist es genau der gleiche Fall wie bei uns, er ist zufällig dort hingeraten, ich habe also versucht, die Tür aufzumachen, sie war abgesperrt, dann habe ich versucht, mit ihm durch die Tür hindurch zu re den, und er hat gesagt, sie seien seine Papiere überprüfen gegangen. Sie wollten sehen, ob sich in seiner Familie jemand strafbar gemacht hätte oder der Mitgliedschaft bei der Hamas verdäch tigt würde oder bei einem der Anschläge auf Israelis beteiligt gewesen sei, du verstehst? Ein Mensch kommt, um eine Zeugen aussage zu machen, dass er nämlich dabei war, als vor einer Sanierungsmaßnahme eine Leiche gefunden wurde, und was wird er dann gefragt? Reine Schikane, einfach nur so. Also habe ich Schuschi neben der Tür zurückgelassen und habe auf dich gewartet, um ...«
    »Warte drinnen auf mich«, sagte Michael und führte sie schnell ins Untergeschoss. Die Architektin stand dort im spärlichen Licht der Gangbeleuchtung, blass und zitternd, und ihr Blick hing an ihm, als er versuchte, die Tür des Zimmers zu öffnen, das in den ersten Jahren seiner Polizeiarbeit das seine gewesen war.
    »Sie ist abgesperrt«, flüsterte sie.
    Michael klopfte an die Tür und rief nach Balilati. Vollkommene Stille herrschte jenseits der Tür. Nach einer langen Weile wurde sie geöffnet, Balilati trat schnell heraus, schloss sie wieder und

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