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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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schwankenden Holzleiter stand, »ich will mir das nicht anse hen ...« Und sie entfernte sich mit ein paar schnellen Schritten in Richtung des großen Fensters, das auf den verwahrlosten vorderen Hof hinausblickte.
    »Ich habe gewusst, dass du bei der Polizei bist«, flüsterte Ada, »ich dachte sogar daran, nach dir zu suchen, schon lange, aber jetzt habe ich wirklich nicht mit dir gerechnet. Ich bin mit der Ar chitektin und dem Bauleiter wegen der Renovierungsarbeiten hergekommen, um auszumessen ... egal ... ich habe gewusst, dass du was Wichtiges bist, das heißt, in bedeutender Position bei der Polizei, aber ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, als ich die Polizei alarmiert habe, dass sie jemanden wie dich schicken wür den ...«
    »Ich war in der Gegend, ganz in der Nähe«, hörte er sich entschuldigend sagen, »manchmal passiert es eben, dass, wenn man gerade in der Gegend ist und noch dazu der Dienst habende Beamte ...« Er wollte sie fragen, was sie damit gemeint hatte, dass sie ihn hatte suchen wollen, doch da hörte er schon den Streifenwagen von der Spurensicherung vorfahren, und er dirigierte die beiden Kollegen in die Wohnung.
    »Dass wir dermaßen schnell da waren, dazu sagst du nichts?«, fragte Jafa von der Spurensicherung, als sie die Treppe heraufkam, »auch von dir kein nettes Wort?«
    »Doch natürlich, alle Achtung, wirklich«, sagte Michael, während sein Blick Alons weit ausholenden Schritten folgte, der hinter Jafa hereinkam und die alte Leiter skeptisch betrachtete, die laut ächzte, als sie ihren Fuß darauf stellte. »Ich habe keine Ambulanz gesehen«, sagte Jafa, ohne den Kopf zu wenden, »hast du uns vor ihnen gerufen?«
    »Dr. Solomon ist schon auf dem Weg hierher, er war gerade bei uns wegen dieses Kindes aus Kfar-Saba«, versicherte Michael, und Jafa grinste in sich hinein.
     
    »Ada Levi«, sagte er langsam und nachdenklich, »die Welt ist klein.«
    »Efrati«, korrigierte sie, »ich habe gleich nach dem Militärdienst geheiratet.«
    »Kommst du jetzt rauf oder was?«, schrie Balilati von oben.
    »Der Bauleiter wartet im Auto draußen«, sagte Ada, »er ... er ... wir wussten nicht, was wir tun sollten, wir waren zu dritt hier, er ... er ist Araber ... Palästinenser«, stieß sie schließlich hervor, »wir haben gedacht ... er möchte keine Schwierigkeiten krie gen, muss er hier bleiben?«
    »Unbedingt«, erwiderte Michael und packte fest die Leiter, »jeder, der hier war, muss jetzt auch bleiben. Wartet unten, wir sprechen uns nachher.«
    Er kletterte die Leiter hinauf, während sie, zusammen mit der Architektin, unten blieb.
    Im Laufe der Untersuchung, zwischen Balilatis Bemerkungen, Jafas Bericht und den Fragen, die an ihn gestellt wurden, grübelte er darüber nach, wie es kam, dass er sie seit jenem Sommerlager in der elften Klasse nicht mehr gesehen hatte und sie – obwohl ihre Gesichtszüge und Lippen zuweilen in seiner Erinnerung auf getaucht waren und damit auch die süßen Düfte des Zitrushains, die Glätte ihrer Haut und ihr scheues Lächeln – nie gesucht oder sich bei einem ihrer Bekannten nach ihr erkundigt hatte. Er ent sann sich dunkel, dass sie damals am Jahresende das Internat ver lassen hatte, das sie in Jerusalem besuchten, doch ihm fiel nicht mehr ein, wohin sie gegangen war, und sie hatte ja ohnehin einen Freund gehabt. Und nun stellte sich heraus, dass sie geheiratet hatte. Natürlich hatte sie das, alle hatten geheiratet. Sogar er. Und viele waren auch geschieden. So wie er. Jetzt hatte sie also einen Ehemann und sicher auch Kinder. Vielleicht sogar Enkel. Wenn es einen Ehemann gab, wo war er jetzt? Denn sie hatte gesagt: »Ich habe diese Wohnung gekauft«, von »wir« war nicht die Rede gewesen. Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf und verschwanden jedesmal schlagartig, wenn er den Tatort betrachtete.
    Dr. Solomon erledigte seine Arbeit langsam und gründlich, während er unverdrossen eine Melodie vor sich hin summte. Obgleich die reguläre Untersuchung erst im gerichtsmedizinischen Institut vorgenommen werden würde, ließ er keinen Körperteil unberührt und ignorierte zur Gänze die Geräusche der gelben Markierungsspule, die Alon von der Spurensicherung um seinen Finger wickelte, wie um den Fortgang der Arbeit zu beschleunigen. Auch Dani Balilati, der Offizier des Nachrichtendienstes, den reiner Zufall an den Ort des Geschehens geführt hatte, hing seinen eigenen Gedanken nach und beschäftigte sich mit dem Thema, das ihn bereits zuvor

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