October Daye - McGuire, S: October Daye
über einem Tag nicht mehr geschlafen, und wir hatten kein Fahrzeug, mit dem wir aus eigener Kraft verschwinden konnten. Ganz gleich, wie ich die Dinge betrachtete, wir saßen tief in der Tinte.
Ich schlang die Arme um Connor, legte den Kopf an seine Schulter und weinte. Er hob eine Hand und streichelte etwas unsicher mein Haar. Aus dem Augenwinkel sah ich Quentin, der so tat, als bemerke er uns gar nicht. Auch das ist etwas, das man Höflingen schon in jungen Jahren beibringt: Diskretion.
Es dauerte einige Minuten, bis ich mich unter Kontrolle bekam. Ich richtete mich auf und wischte mir schniefend die Augen ab. Wenn ich weine, bin ich nicht besonders hübsch. Meine Nase wird rot, die Haut um meine Augen quillt auf. Von meiner Mutter habe ich Blutmagie, von meinem Vater die Fähigkeit, mich hässlich zu weinen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Connor. »Willst du dich setzen? Oder Eis auf deine Lippe packen?« Kurz verstummte er, und seine Züge verfinsterten sich. »Das war dieser Alex, stimmt’s? Hat er dich etwa geschlagen?«
Das Bild von Connor, der loszog, um meine Ehre zu rächen, war lächerlich genug, um den Drang zu vertreiben, erneut zu weinen. Stattdessen kicherte ich hilflos und sank auf einen der ungemütlichen Plastikstühle, woraufhin mein Kichern in zügelloses Gelächter ausartete. Quentin und Connor betrachteten mich mit großen Augen und beinahe identischen verdutzten Mienen, was mich noch mehr zum Lachen brachte.
»Macht sie das oft?«, fragte Quentin zurückhaltend.
»Nicht oft, nein«, antwortete Connor. »Toby? Heißt das, ich darf nicht losziehen und ihn schlagen?«
»Er ist einen halben Kopf größer als du«, brachte ich zwischen zwei Lachkrämpfen hervor. »Er würde dich windelweich prügeln.«
»Schon, aber ich wäre dann immerhin ehrenvoll windelweich geprügelt«, parierte Connor.
Das ließ mich erneut losprusten, und es dauerte ein paar Minuten, bis ich mich ausreichend beruhigte, um mich zu räuspern, mir noch einmal die Augen abzuwischen und zu sagen: »Na schön, Leute, jetzt mal ernsthaft.«
»Ernsthaft«, wiederholte Quentin und sah mich an, als rechnete er jede Sekunde damit, dass ich erneut hysterisch wurde.
»Alex hat mich nicht geschlagen.« Connor entspannte sich, verkrampfte sich jedoch gleich wieder, als ich fortfuhr: »Das war ich selbst.«
»Tob y … «
»Ich brauchte das Blut.« Mein Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. »Also, ich weiß nicht, was er und seine Schwester genau sin d – ich konnte ihn nicht mal zwingen, es mir zu verrate n – , aber sie haben einen verfluchten Liebeszauber, und der ist ziemlich stark. Ich musste mir fast die Zunge durchbeißen, um mich davon abzuhalte n …« – mit ihm zu verschwinden und erst am nächsten Morgen wieder aufzutauchen – »… ihn zu küssen. Obwohl ich genau wusste, dass ich es nicht wollte.«
Connors Augen weiteten sich. »Das ist ein Scherz.«
»Leider nicht. Falls du eine dunkelhaarige Frau mit orangefarbenen Augen triffst, solltest du ihr lieber aus dem Weg gehen. Du wirst sonst feststellen, dass du dir Freiheiten herausnimmst, die Raysel ganz sicher nicht billigen würde.«
Er errötete und wandte sich ab. Quentin legte die Stirn in Falten und wurde nachdenklich. »Zählt es als Untreue gegenüber Katie, wenn ich mit Terrie zusammen sein wollte?«
»Nein. Vielleicht, wenn du tatsächlich etwas getan hättest. Aber dagegen, dass man verzaubert wird, kann man nicht viel machen.« Ich hoffte, dass er mir glaubte, denn ich war mir, ehrlich gesagt, nicht sicher. Wenn man in Faerie lebt, kann man nicht einfach behaupten, Magie zählt nicht. Jedenfalls war es eine gute Frage.
Meine Antwort schien ihn jedoch zu beruhigen, denn er nickte. »Na schön. Was machen wir jetzt?«
Beim Anblick seines Gesichtsausdruck s – als hätte ich alle Antworten und würde sie ihm mitteilen, wenn er nur die richtigen Fragen stellt e – hätte ich am liebsten das Weite gesucht. Ich stand auf und ignorierte, wie wackelig sich meine Beine anfühlten. Egal, wie erschüttert ich war, ich musste in Bewegung bleiben. »Wie spät ist es, sieben Uhr dreißig? Acht?«
»Acht Uhr fünfzehn«, antwortete Connor.
»Nah dran. Wir erledigen jetzt etwas Arbeit.«
»Arbeit?« Connor zog die Augenbrauen hoch.
»Arbeit.« Ich trat zu dem Ordnerstapel, der einen der Tische in der Cafeteria bedeckte. »Quentin, du hast A bis L, Connor, du übernimmst M bis Z. Ich möchte, dass ihr alles rauszieht, was auch nur ansatzweise
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