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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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mir, sagte jedoch kein Wort.
    »Hallo«, gab sie zurück. Ihre Stimme klang völlig neutral, als spräche ich mit einer aufgezeichneten Ansage. Sie hätte eine Daoine Sidhe sein könne n – ihre Haltung und die Form ihrer Ohren legten das nah e – , trotzdem glaubte ich es nicht. Sie fühlte sich nicht wie eine Daoine Sidhe an. Eigentlich fühlte sie sich wie gar nichts an.
    »Ich bi n … «
    »Du bist October Daye, Ritterin von Schattenhügel. Und das ist Quentin, derzeit zur Pflegschaft in Schattenhügel, Heimat unbekannt.« Es war keine Frage.
    Toll. Allwissende Kinder entsprechen nicht gerade meiner Vorstellung von angenehmer Gesellschaft. »Ja, ich bin Toby, das ist mein Assistent Quentin, und wir kommen aus Schattenhügel.«
    »Ich bin April.«
    »Freut mich, dich kennenzulernen«, behauptete ich.
    »Solltet ihr nicht drinnen sein?«
    »Wieso? Möchte mich deine Mutter gern sprechen?«
    Ein spöttischer Ausdruck huschte über ihr Gesicht und beeinträchtigte die unverbindliche Miene. »Meine Mutter hat gerade ganz andere Sorgen. Ich dachte, ihr wärt hier, um euch die Leiche anzusehen.«
    Es gibt etliche Möglichkeiten, sich meine Aufmerksamkeit zu sichern. Doch die Erwähnung des Wortes ›Leiche‹ steht ziemlich weit oben auf der Liste. »Die was?« Quentin starrte sie fassungslos an.
    »Die Leiche. Colin hat einen Hardwaredefekt erlitten und ist nicht mehr synchron mit dem Server. Alle sind mächtig aufgeregt; wie beim letzten Mal rennen sie wild umher, und es wird überhaupt keine Arbeit erledigt. Wisst ihr, es gibt trotzdem noch Testreihen, die abgeschlossen werden müssen.« Der letzte Satz klang leicht gereizt, als erzeugte die Welt Leichen extra zu ihrem Verdruss.
    »Nein, das wusste ich nicht«, erwiderte ich langsam und dachte: Wie beim letzten Mal? »Wo ist denn die Leiche?«
    »Drinnen. Durch die Glastür und dann in der Mitte des Zellenlabyrinths. Alle sind dort. Ihr solltet auch hingehen. Dann könnt ihr euch darum kümmern, und die anderen machen sich wieder an die Arbeit.« Es gab ein scharfes Knistergeräusch, als risse eine Kabelverbindung ab, und April verschwand. Nach Ozon riechende Luft füllte die Stelle, an der sie gestanden hatte.
    So etwas erlebte man nicht jeden Tag. Ich starrte auf den leeren Platz.
    »Tob y … «
    »Ich weiß«, sagte ich und schüttelte meine Verblüffung ab. »Komm mit.« Ich drehte mich um und lief zur Tür.
    Diesmal war ich auf den Übergang in die Sommerlande gefasst und bemerkte den Augenblick, als er sich vollzog. Unwillkürlich fragte ich mich, wie viele andere Möglichkeiten es noch gab, zwischen den beiden Ebenen des Gebäudes hin- und herzuwechseln. Quentin überholte mich, öffnete die Tür zum Flur und blieb stehen, um auf mich zu warten.
    Kaum war die Tür geöffnet, roch ich das Blut, das sich mit der klimatisierten Luft mischte. So fremdartig April auch sein mochte, in mindestens einem Punkt hatte sie recht: Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung.
    »Bleib hinter mir, Quentin«, sagte ich und trat vor ihn.
    »Abe r … «
    »Kein Aber. Sollte es irgendwie gefährlich werden, rennst du weg.«
    Quentin zögerte, dann heftete er sich an meine Fersen. Als Page lernt man, Leuten dichtauf zu folgen, ohne zu stolpern oder ihnen in den Weg zu geraten; das gehört zur Ausbildung eines guten Dienstboten. Nun mochte er Gelegenheit erhalten festzustellen, wie gut ihn diese Kunst auf Kampfsituationen vorbereitete. Sollten wir angegriffen werden, so würde er bereits in Verteidigungsposition sein.
    Elliot, Alex und Peter standen in der Mitte des Labyrinths aus Bürozellen. Es war eine unbewusste Parodie des Anblicks, den sie uns beim ersten Mal geboten hatten. Ihre Angst war so spürbar, dass ich das Gefühl hatte, sie mit Händen greifen zu können. Peters menschliche Tarnung flackerte wild und schlug Funken, als seine kaum verborgenen Flügel panische Schwingungen aussandten, die ich bis in die Zähne spürte. Ich trat näher, nah genug, um zu sehen, auf was sie dort starrten.
    Colin lag ausgestreckt auf dem Boden. Seine Augen standen offen und spähten blicklos hinauf in die Dunkelheit der Wartungsstege. Ich brauchte nicht erst nach seinem Puls zu tasten oder zu fragen, ob jemand Wiederbelebungsversuche unternommen hatte. Ich erkenne den Tod, wenn ich ihn sehe.
    Der Boden rings um die Leiche war sauber, nichts deutete auf einen Kampf hin. Abgesehen von ganz kleinen Stichwunden an Hals und Handgelenken wies er keine Verletzungen auf. Ich sah mich nach

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