October Daye - McGuire, S: October Daye
Blut klebte an meinem Finger. Ich starrte es an. Als ich das letzte Mal im Blut einer Leiche gelesen hatte, wurde ich dadurch so eng an eine ermordete Reinblütlerin gebunden, dass ich ihr beinahe in den Tod gefolgt wäre. Ein bisschen Paranoia war da völlig natürlich. Darauf bedacht, mich nicht umzublicke n – ich wollte nicht wissen, ob Quentin zusa h – , steckte ich den Finger in den Mund und wartete.
Doch es geschah gar nichts. Das Blut schmeckte säuerlich und halb geronnen, und nichts darin sprach von Leben, Tod oder sonst etwas. Ich beugte mich vor und vergaß Quentin und die anderen. Das Vorhandensein eines Fae-Leichnams war erschreckend und unnatürlich, aber dass ich nicht in der Lage war, im Blut zu lesen, war völlig unmöglich. Nichts, wovon ich je gehört hatte, vermochte Blut dermaßen seiner Lebendigkeit zu berauben. Beim zweiten Versuch benutzte ich drei Finger meiner rechten Hand, tunkte sie in das Blut am Hals und leckte sie ab. Nichts. Colins Gedächtnis, sein ganzes Wesen, alles, was ich hätte vorfinden müssen, war verschwunden.
Das verhieß eindeutig nichts Gutes.
Ich schaute auf und stellte fest, dass Quentin mich anstarrte. Seine Miene spiegelte eine Mischung aus Grauen und Faszination. Ich begegnete seinem Blick, ohne zu blinzeln, und leckte mir bedächtig einen verirrten Blutstropfen von der Unterlippe. Früher oder später würde er sich den weniger schönen Aspekten des Daseins als Daoine Sidhe stellen müssen. Schließlich war er selbst einer.
Peter erbleichte, als ich das Blut wegleckte, Alex hingegen sah gebannt zu und wirkte beinahe fasziniert. Ich errötete, kämpfte gegen den Impuls an, den Kopf einzuziehen, und wandte mich wieder Quentin zu. »Wurdest du schon in Blutmagie geschult?«, fragte ich.
»Ei n … ein wenig«, räumte er ein. »Aber ich habe noch ni e … nicht bei jemandem, de r … «
»Es gibt für alles ein erstes Mal. Komm hier runter.« Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Ich nickte entschieden. »Doch. Du musst bestätigen, was ich aus ihm lese. Du bist hier, um mir zu helfen. Also tu es.«
Widerstrebend kniete er sich hin und fragte: »Wa s … was muss ich tun?«
»Berühr sein rechtes Handgelenk. Benetze deinen Finger mit etwas Blut.« Das war die einzige Wunde, bei der ich es noch nicht versucht hatte. Amandine mochte die mächtigste Blutwirkerin im Land sein, ich aber bin nur ein Halbblut. Es war durchaus möglich, dass Quentin trotz seiner Jugend und unvollständigen Ausbildung etwas bemerkte, das mir entgangen war.
Er tat wie geheißen und zitterte die ganze Zeit dabei. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. »Alles in Ordnung. Du machst das prima. Und jetzt steck den Finger in den Mund.« Er bedachte mich mit einem entsetzten Blick. »Schon gut. Ich bin ja bei dir.«
»Aber was soll ich tun ?«
»Du sollst den Finger in den Mund stecken.« Er schüttelte sich, und ich fuhr fort. »Dann sollst du schlucken. Das Blut kann dir nicht wehtun, es ist nur ein Leiter für die Magie.«
»Also gut«, fügte er sich. Er presste die Augen fest zu, schob sich den Finger in den Mund, atmete durch und schluckte. Eine Pause entstand, bevor er die Augen wieder öffnete, sich automatisch über die Lippen leckte und fragte: »Wann fängt die Magie an zu wirken?«
Das hatte ich befürchtet. »Du erkennst nichts?«
»Nein. Ic h … es war bloß Blut.« Besorgt runzelte er die Stirn. »Hab ich etwas falsch gemacht?«
»Nein, Quentin. Es ist nicht deine Schuld.« Ich sah Elliot an. »Haben eure Leute hier irgendetwas bewegt? Irgendetwas angefasst?«
Elliot zuckte zusammen und antwortete: »Nein, wi r … «
»Gut. Wer hat die Leiche gefunden?« Peter hob eine Hand. Ich nickte ihm zu. »Wann?«
»Vor etwa fünfzehn Minuten.« Seine Stimme klang halbwegs gefasst, aber ich hörte immer noch das leise Schwirren seiner unsichtbaren Flügel. Er war im Zustand mühsam beherrschter Panik.
»Waren Sie allein?«
»Etwa fünf Minuten lang. Dann kam Alex rein.«
»Haben Sie etwas Ungewöhnliches bemerkt, als Sie kamen?« Als er den Kopf schüttelte, wandte ich mich an Alex. »Was ist mit dir?«
»Nichts. Ich kam rein, wir riefen nach April, und sie ging los, um Elliot zu holen.«
»Und jetzt holt sie January. Ich will, dass dieser Bereich abgeriegelt wird. Wer hält sich sonst noch im Gebäude auf?«
»April, Jan und Gordan.« Elliots Blick klebte an meinen blutigen Fingern. Die Daoine Sidhe haben seit jeher eine Menge Einfluss in
Weitere Kostenlose Bücher