October Daye - McGuire, S: October Daye
leichte Blutergüsse auf; das Trauma dessen, was ihn getötet hatte, hatte nicht ausgereicht, um viele Blutgefäße zu zerreißen. In einem durchschnittlichen Körper steckt eine Menge Blut, und in Colins Fall befand sich der Großteil davon noch dort, wo er hingehörte.
Der dritte Einstich lag unter der Krümmung seines Kiefers auf der linken Seite des Kopfes, umgeben von einem Ring geronnenen Blutes. Andere sichtbare Verletzungen gab es nicht. Etwas stimmte an dem Körper nicht, aber jedes Mal, wenn ich versuchte, es genauer ins Auge zu fassen, schien mein Blick davon abzugleiten.
Ich runzelte die Stirn. »Quentin, sieh dir die Leiche an. Was stimmt damit nicht?«
»Du meinst, abgesehen davon, dass e r … tot ist?«, fragte er ungewohnt stockend.
»Ich weiß, das ist jetzt hart. Für mich war es das beim ersten Mal auch. Aber du musst für mich genau hinschauen und mir sagen, was du siehst.«
Das erste Ma l – ha! Mein erstes Mal war eins von Devins Kids gewesen, damals, als ich noch dort arbeitete. Der Junge hatte wie ich Vorzimmerwache, und er verpasste sich eine Stunde vor Beginn unserer Schicht eine Überdosis. Er war noch nicht einmal kalt, als wir ihn im Badezimmer fanden. Ich half drei älteren Jungs, ihn hinter die Bar zu tragen, um ihn dort für die Nachtschatten liegen zu lassen, und bis zum Morgen musste ich mich dreimal übergeben. Devin ließ mich trotzdem Wachdienst schieben, denn Pflicht war Pflicht. Ich selbst bin nie eine so grausame Zuchtmeisterin gewese n … aber Devin war mein Lehrer, und er hat mir viel beigebracht. Eine seiner wichtigsten Lektionen lautete, dass man schwierige Dinge am besten sofort erledigte; man muss sich dem stellen, was man fürchtet, und es nach Möglichkeit hinter sich bringen. Langfristig schmerzt es so weniger.
Quentin schluckte, senkte den Blick und ließ ihn prüfend über den Toten wandern. Er legte die Stirn in Falten, und Verwirrung durchdrang seinen Widerwillen. »Stimmt etwas mit seinen Händen nicht?«
Ich schaute hinab. Colins Hände besaßen Schwimmhäute, wie es bei Selkies üblich war, leicht geboge n …
O nein. O Wurzel und Zweig, nein. Mein Körper verkrampfte sich, und ich sagte: »Ja, Quentin. Ich denke, du hast recht.«
Die Fae lassen keine Leichen zurück. Das trägt viel dazu bei, dass wir all die Jahre verborgen bleiben konnten. Wenn wir sterben, bringen die Nachtschatten uns weg und lassen nur aus Illusionen geschmiedete Hüllen zurück, die menschliche Augen täuschen. Alle Hinweise auf Colins Erbe hätten verschwunden sein müssen, von den Nachtschatten ersetzt durch scheinbare Menschlichkeit. Sie hätten nicht mehr da sein dürfe n … doch das waren sie. Seine Finger und Zehen wiesen Schwimmhäute auf, und seine Augen waren von Rand zu Rand braun. Sah man von den Einstichen an Hals und Handgelenken ab, so hätte man fast glauben können, dass er sich nur einen geschmacklosen Streich mit uns erlaubte.
Nur war es das nicht. Er war tot, und irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Die Nachtschatten lassen einen Leichnam niemals so lange liegen, bis das Blut abkühlt. Warum also waren sie nicht gekommen, um Colin zu holen? Wieso war er noch hier?
»Toby?«
»Schon gut.« Ich klopfte ihm unbeholfen auf die Schulter und war mir bewusst, wie kaltherzig dieser Trost sich anfühlen musste. »Ich fürchte, das hier könnte der Grund sein, weshalb uns Sylvester hergeschickt hat.«
»Ich glaube nicht, dass er wusst e … «
»Ich weiß.« Ich zog meine Hand zurück. »Krieg mal raus, wann Jan endlich kommt.« Ich wollte nicht, dass er mit ansah, was ich als Nächstes tun musste. Ich mag dagegen sein, die Jugend zu belügen, aber selbst ich habe meine Grenzen.
Quentin nickte, stand auf und versuchte seine Erleichterung zu verbergen, als er sich an Elliot wandte. »Sir? Wo ist Eure Herrin?«
»April ist sie holen gegangen«, antwortete Elliot mit leiser, tonloser Stimme.
»Wann?«, hakte ich nach, ohne mich umzublicken, und strich dabei mit dem Zeigefinger über die Wunde an Colins linkem Handgelenk. Eine Daoine Sidhe zu sein ist manchmal das Ekligste, was ich mir vorstellen kann. Wer eine Begabung für Blutmagie hat, ist in der Lage, die gesamte Vergangenheit einer Person in ihrem Blut zu schmecken. Das macht uns zu hervorragenden Therapeuten und noch besseren Detektiven; allerdings bringt es auch mit sich, dass wir einen Haufen Geld für Mundwasser ausgeben. Nach einer Weile geht der Geschmack von Blut nie mehr richtig weg.
Das
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