October Daye - McGuire, S: October Daye
getötet hat, allerdings erscheint mir Töten zur Nahrungsbeschaffung wahrscheinlicher, und ich habe noch nie von etwas gehört, das eine Kitsune töten kann und die Leiche dann nicht fressen würde. Gab es in der Grafschaft unerwartete Vermisstenfälle, die ihr der Krone nicht gemeldet habt?«
»Was? Nein. Wir melden dem Hof der Königin alle Todes- und Vermisstenfälle.«
»Bis zu diesen jüngsten Vorfällen, meinst du wohl«, sagte ich.
»Ja. Nein. Ic h … Jan hat versucht, sie zu melden!«
»Ihrem Onkel, nicht der Königin, aber egal. Ich will nicht mit dir diskutieren. Ich werde einfach darauf vertrauen, dass du es mir sagst, falls dir noch irgendwelche Toten einfallen, von denen ich nichts weiß. Habt ihr ungewöhnliche Spuren oder Fährten gefunden? Hinweise auf ein Tier? Unter Umständen haben wir es mit einem Gestaltwandler zu tun.«
»Nicht, soweit ich weiß.« Er beugte sich vor und legte die Hände übers Gesicht. »Ich kann nicht glauben, dass jemand von uns diese Dinge tut. Das kann ich einfach nicht.«
»Tut mir leid«, sagte ich und meinte es ernst. Es tut weh, wenn man von der eigenen Familie verraten wird.
»Ihr könntet euch irren«, sagte Alex zwischen seinen Fingern hindurch.
»Möglich«, räumte ich ein. »Wie lange ist die Firma schon hier?«
Alex hob langsam den Kopf. Noch weinte er nicht, aber er war nicht mehr weit davon entfernt. »Seit sieben Jahren.«
»Wo war das Unternehmen vorher?«
»In der Innenstadt, nahe der Grenze zu Traumglas. Vor etwa acht Jahren stießen wir hier auf Land, das wir mit den Sommerlanden verbinden konnten, und wir wollten weiter weg von Herzogin Riordan, also haben wir mit dem Bau begonnen.«
»Aber ihr konntet nur eine Seichtung ausheben?«
»Für mehr waren die Brachlandlinien nicht tief genug.«
»Vielleicht habt ihr dabei etwas geweckt, und es hat nur eine Weile gebraucht, um zu erkennen, dass sich direkt über ihm etwas zu fressen befindet. Wenn dem so ist, werden noch eine Menge Leute sterben, bevor wir herausfinden, was es ist und wie man es aufhalten kann.« Die Samthandschuhe ließ ich kurzerhand stecken. An einem Ort, wo gemordet wird, ist kein Platz für Schonung.
»Wenn es aber einer von uns war«, meinte er langsam, »dann ist das Schlimmste, womit ihr konfrontiert sei d … einer von uns.«
»Oder ein Gestaltwandler, der sich als Mitarbeiter ausgibt.« Ich trank einen Schluck von meinem Kaffee. »Beide Möglichkeiten gefallen mir nicht, aber es sind die einzigen, die wir haben.« Quentin warwieder verstummt und aß mein Sandwich, wobei er Alex beobachtete.
»Ich verstehe«, sagte Alex.
»Also: Was sollten wir wissen?«
Alex schwieg eine ganze Weile. Dann holte er tief Luft und sagte: » ALH war Jans Ide e – sie brachte das Betriebskapital auf und stellte die ursprüngliche Belegschaft ein. Wir sind Teil des gräflichen Hofs, aber das ist nur eine Formalität, wir werden dafür bezahlt, hier zu arbeiten, haben feste Jobs, und Hof gehalten haben wir zuletzt beim Firmengrillfest im Mai.«
»War sie bereits Gräfin, als sie ALH gründete?«
»Ja. Sie besaß den Titel, aber kein Land, bis wir uns von Traumglas lossagten.«
»Und wie lange arbeitest du schon hier?«
»Seit rund zwölf Jahren. Terrie und ich kamen aus Cincinnati her, als Jan die erste königreichübergreifende Jobbörse abhielt, und seither bin ic h – sind wi r – hier.«
Ich runzelte die Stirn. So wie er das sagte, war ich nicht ganz sicher, ob Terrie tatsächlich die ganze Zeit hier gewesen war. Ich beschloss mir ihre Personalakte zu besorgen und fragte: »Ist Jan eine gute Befehlshaberin?«
»Eine der besten.« Mit plötzlich ernster Miene beugte sich Alex vor. »Sie denkt anders als sie meisten Leute. Trotzdem ist sie gut in dem, was sie tut. Du musst ihr nur eine Chance geben.«
Eigentlich tue ich das ungern, wenn Leute sterben. Andererseit s … Ich hatte einst am Hof der Königin eine ähnliche Rede gehalten, als ein königlicher Ausschuss die Handlungen eines gewissen Herzogs überprüfte. Damals sagte ich, man müsse im Zweifel zu seinen Gunsten entscheiden und man könne nicht über ihn urteilen, ohne ihn zu kennen. Sylvester handelte oft nicht so, wie man es erwartete, aber er machte seine Sache gut. Wenn Alex sich in gleicher Weise für Jan verbürgte, musste ich ihr eine Chance geben. Und vielleicht hatte er ja recht. Vielleicht hatten Jan und Sylvester mehr gemein als nur die Farbe ihrer Augen.
Ich hoffte nur, sie würde uns nicht alle
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