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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Anzeichen von Vernunft erkennen.
    »Gut«, sagte ich, bevor ich die Tür zum Generatorraum öffnete und eintrat.
    Der Raum war dunkel. Es gab nur ein winziges Fenster mit dicken Glasbausteinen. Alles sah verwaist aus. Das hieß allerdings noch nicht, dass sich niemand außer mir im Raum befan d – es bedeutete nur, was immer sich vielleicht in den Schatten verbarg, wusste, wie man sich ruhig verhält. Manchmal wünschte ich, ich wäre nicht so eine Pessimistin.
    Ich stand still und ließ den Blick prüfend über die Schatten wandern, während sich meine Augen dem Zwielicht anpassten. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und wirbelte herum. Da war nichts. Die ›Bewegung‹ bestand aus spätnachmittäglichem Sonnenlicht, das schräg durch das Fenster einfiel und an der Kante eines Stahlträgers reflektierte. Ich verharrte und holte stockend Luft.
    Den zweiten Schaltschrank hinter der Tür zu finden gestaltete sich einfach. Ich rückte an der Wand entlang vor, bis mein Oberschenkel gegen etwas Scharfkantiges stieß, schob mich drumherum und rückte wieder vor, bis ich erneut gegen etwas stieß. Ich mochte mich nicht von der Wand entfernen. Peter bildete einen dunklen Schemen auf dem Boden, und ich wollte nicht versehentlich auf ihn treten.
    Ich war schreckhafter, als ich gedacht hatte. Sachte tastete ich mich voran, bis ich den richtigen Schrank mit den Schaltern fand. Herauszufinden, welchen ich betätigen sollte, erwies sich schon als schwieriger. Je länger ich dort stand, desto nervöser wurde ich, und Jan und Quentin befanden sich allein und unbewaffnet draußen im Gang. Die Zeit drängte. Ich entschied mich für den größten Schalter, den ich finden konnte, wartete dreißig Sekunden und betätigte ihn erneut. Mein Herz dröhnte mir wie eine Stahltrommel in den Ohren, bis das Geräusch des anspringenden Generators es übertönte. Der Motor stotterte zweimal, dann sprang er a n – und die Lichter gingen wieder an. Fast sofort wünschte ich, sie wären aus geblieben.
    Peter lag auf dem Rücken. Er war kaum noch als der Mann zu erkennen, den wir bei unserer Ankunft getroffen hatten. Der Tod hatte seine menschliche Tarnung ein für allemal beendet. Er war kaum einszwanzig groß und besaß feine Fühler und fransiges graues Haar. Er lag auf einer Art Decke, die aus seinen eigenen grauen und grünen Flügeln bestand. Er war ein kornischer Pixie gewese n – so ziemlich die einzige Pixie-Art, die groß genug wurde, um den anderen Bewohnern Faeries Auge in Auge gegenüberzutreten.
    Doch jetzt würde er nichts mehr Auge in Auge tun. Er konnte nicht mehr darüber diskutieren, ob Klingonisch als Sprache zählte, und er würde nie wieder einen Wechselbalg-Besucher damit verwirren, dass er menschliche Tarnung trug, wenn alle anderen sie ablegten. Allmählich sah es aus, als schriebe der Pensionsplan von ALH vor, im Dienst tot aufgefunden zu werden. Die Einstiche an Hals und Handgelenken machten die Illusion zunichte, er schliefe nur. Peter würde nie wieder aufwachen.
    Ich kniete mich hin, berührte ihn am Hals und fuhr unwillkürlich zurück, als ich die noch deutliche Wärme seines Blutes spürte. An meinem Finger haftete Blut und ein dünner, schimmernder Staubfilm: Pixie-Schweiß. Das ließ auf die Todeszeit schließen. Wenn Pixies sterben, hören sie auf zu ›stauben‹, und die glitzernden Spuren, die sie überall hinterlassen, lösen sich rasch auf. Er konnte noch nicht tot gewesen sein, als die Lichter ausgingen, andernfalls wäre der Pixie-Schweiß längst vergangen.
    Für eine ernst gemeinte Sabotage hatte sich der Strom zu leicht wieder anwerfen lassen. Aber irgendwie ergab es keinen Sinn, dass Peters Mörder auch den Strom abgeschaltet hatte. Hätten wir nicht den Generator starten müssen, wäre die Leiche noch Stunden, vielleicht sogar tagelang unentdeckt geblieben. Der Mörder hätte Zeit gehabt, sich in aller Ruhe zu verdrücke n … Aber was, wenn er eingeplant hatte, dass die Abschaltung des Stroms uns zu der Leiche locken würde? Womöglich hatte er ausdrücklich beabsichtigt, mic h – oder vielleicht auch Ja n – direkt zu Peter zu führen. Es konnte eine Falle sein oder eine kranke Demonstration. So oder so, jemand wollte, dass wir den Leichnam fanden.
    Die Dinge wurden nicht besser.
    Ich presste mir die Finger an die Lippen und kostete das Blut. Pixie-Schweiß hüllte den üblichen Kupfergeschmack in einen Schleier aus Asche und verbranntem Zucke r – etwas süßlich, aber auch nicht

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