October Daye: Nachtmahr (German Edition)
seinen Dornen. Seufzend ging ich zur Tür, um sie abzuschließen. Scherben des Tellers knirschten unter meinen nackten Füßen und schnitten hinein. Es war mir egal. Was machte das schon? Wenn man auf den Tod wartet, hat man größere Sorgen als ein bisschen Blut.
Ich schob nachdrücklich den Riegel vor, schauderte und wandte mich ab. Die Morgendämmerung kam, und es war Zeit, sich für ein Frühstück mit Connor bereit zu machen. Wenn ich eines über das Schicksal weiß, dann dies: Es gewährt keine zweite Chance, und es glaubt auch nicht warten zu müssen, bis man bereit ist. Wenn es mich im Visier hatte, war es schon zu spät. Alles, was ich jetzt noch tun konnte, war dafür zu sorgen, dass es mich nicht beim Stillsitzen erwischte.
Kapitel 3
E rde an Toby. Bist du da drin?«
»Was?« Ich hörte auf, mein Rührei mit meinen Pommes zu vermanschen, und blinzelte Connor über den Tisch an. Er stützte sich auf seine Ellbogen und beobachtete mich. Es fiel mir wie immer schwer, mich an seine menschliche Verkleidung zu gewöhnen – meistens hatte ich in Schattenhügel mit ihm zu tun, wo es keinen Grund gab, sich zu tarnen. Seine Haare müssten eigentlich grau gefleckt sein wie sein Fell in Seehundgestalt, ihr jetziger ordinärer Braunton sah falsch aus. Seine Hände wirkten befremdlich ohne Schwimmhäute, und sowohl das Weiß als auch die deutlich erkennbaren Pupillen seiner Augen waren höchst ungewohnt.
Diese Augen fixierten mich gerade, und ihr Ausdruck zeigte ernste Besorgnis. »Was ist los?«
»Was meinst du?« Ich legte meine Gabel weg, strich mir das Haar zurück und versuchte, wie immer auszusehen. Es funktionierte anscheinend nicht.
»Du hast dein Frühstück kaum angerührt.«
»Ich hab keinen Hunger.«
»Dein Kaffeebecher ist seit fünf Minuten leer, und du hast immer noch nicht damit gedroht, unsere Kellnerin auszuweiden.« Connor schüttelte den Kopf. »Ich kenne dich doch. Was ist los ?«
»Nichts«, sagte ich. »Ich bin nur müde.« Ich wollte ihm nicht von May erzählen. Ich wollte nicht, dass er zu helfen versuchte, ich wollte das Ganze einfach nur auf sich beruhen lassen, bis ich bereit war, mich damit auseinanderzusetzen. Vielleicht kam es dazu nicht, bis ich tot war, aber das war meine Entscheidung, nicht seine. Ich versuche, ehrlich zu meinen Freunden zu sein, wenn ich kann, aber es gibt Zeiten, wo ich Ausnahmen mache. Zum Beispiel, wenn ich gerade von der Fae-Entsprechung eines »singenden Telegramms« meinen bevorstehenden Tod angekündigt bekommen habe.
Connor seufzte und richtete seine Aufmerksamkeit auf sein Frühstück. »Wie du willst.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Wenn es wegen meiner Frau ist … «
»Nein, keine Sorge. Ich hab ihr diese Woche noch keinen Grund gegeben, mich umzubringen, und ich hab ganz sicher auch nicht vor, ihr einen zu liefern.« Ich lächelte schwach. »Ich bin über dich hinweg, Connor.«
»Mein Herz blutet.«
»Was meinst du, was alles bluten würde, wenn ich nicht über dich hinweg wäre und Raysel dahinterkäme?« Ich nahm einen Happen Rührei, es war kalt und gummiartig. Ich schluckte es trotzdem runter und fuhr fort: »Dein Herz, mein Herz, jede Menge andere Körperteile … «
»Du traust ihr ja viel zu.«
»Wenn es um potenzielle schwere Körperverletzung geht, ja.« Ich ließ die Gabel sinken. »Sie macht mir Sorgen. Etwas stimmt mit ihr ganz und gar nicht.«
»Weißt du, die meisten Kerle haben das Problem, dass ihre Ex-freundin auf ihre Frau eifersüchtig ist. Aber nicht, dass sie wilde Verschwörungstheorien über sie aufstellt.«
»Ich war aber nie deine Freundin.«
»Das muss ich zugeben.«
»Sag mir doch, dass ich falschliege.«
Er seufzte. »Kann ich nicht.« Mit einem Blick auf die Uhr fügte er hinzu: »Ich sollte mich zurück nach Schattenhügel aufmachen. Ich muss heute an offiziellen Audienzen teilnehmen.«
Manchmal beschleicht mich der Verdacht, das zutiefst tagaktive Naturell der Herzogin von Schattenhügel könnte der wahre Grund dafür sein, dass sie ihre Tochter mit einem Selkie verheiratet hat: Sehnsucht nach moralischer Unterstützung. »Ich muss auch los«, sagte ich, erhob mich und ließ mein fast unberührtes Frühstück stehen. Connor schielte auf meinen Teller. »Wenn du willst, kannst du ja die Reste mitnehmen«, bemerkte ich.
»Schon gut«, sagte er in einem Ton, der die Worte Lügen strafte. Er war sichtlich unzufrieden mit meinem Mangel an Appetit, aber ich ging nicht darauf ein. Ich hatte nicht die
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