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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Reiter und des Opferns, und die Story von Tam Lin handelte davon, wie die Feen an Halloween zum großen Ritt aufbrachen. Es sollte ein Opfer werden, doch dann wurde eine Rettung daraus.
    Die meisten Leute glauben, das sei bloß ein uraltes Märchen, doch das trifft es nicht, nicht ganz. Es geschah wirklich, aber vor langer, langer Zeit, noch vor der Ära der Scheiterhaufen. Der Ritt, der in jener Nacht aufgehalten wurde, führte zum Verlust von Königin Maeve und leitete den Untergang der alten Höfe ein. Ich hab nie verstanden, wieso meine Mutter sich gerade diese Ballade als rituelles Schlaflied ausgesucht hatte. In jener Nacht, als die Ballade ihren Ursprung nahm, begann unsere Welt zu sterben. Janet wartete an der Wegkreuzung auf Maeve. Sie stand in der Mitte eines Kreises, der sie schützte. Sie war klug, sie war vorsichtig, und es gelang ihr, den Mann zu erobern, der uns alle verriet.
    Konnte es sein, dass jemand so wie damals Janet jetzt diesen Ritt abbrechen wollte? Aber für wen?
    »Erst lass vorbei die dunklen Pferde, wink sie durch im Trab«, deklamierte die Stimme. Dieser Stimme widersprach man nicht. Die Kinder um mich herum hoben die Köpfe, zitternd und verwirrt. »Dann eile hin zur milchweiß’ Stut’, den Reiter zieh herab !«
    Jemand packte plötzlich Katies Zügel. Erschrocken scheute sie, bäumte sich hoch auf, und ich verlor den Halt.
    Bereitwillig erschlaffte ich und war geradezu froh, dass ich nicht genug Kontrolle über meinen Körper besaß, um mich zu wehren oder abzufangen. Ich konnte dem Kerl vielleicht nicht entrinnen, aber das hieß noch lange nicht, dass ich mich retten musste. Der Tod war besser als das Überleben in Sklaverei.
    »Nein, so nicht!«, sagte eine fröhliche Stimme und fing mich mitten in der Luft auf. Ein Ellbogen rammte sich in meinen Solarplexus und nahm mir den Atem, und im nächsten Moment taumelten wir ins Helle, direkt in den kreisrunden gleißenden Lichtkegel hinein. Mein Fänger drehte sich noch im Fallen und dämpfte meinen Sturz mit seinem Körper ab, ehe wir am Boden aufschlugen. Fürsorgliche Kidnapper – das war doch mal etwas Neues! Nur schade, dass ich zu sehr mit Schreien beschäftigt war, um es zu würdigen: Das Licht versengte mich. Es war, als würde ich lebendig gehäutet und dann in Stücke gerissen und von unzähligen Händen wieder zusammengesetzt, die dabei keineswegs sanft vorgingen. Um mich herum schrien andere Stimmen, und ich kniff die Augen fest zu, um das schreckliche Licht auszusperren. Es nützte nichts.
    Das Auge des Ritts schickte mir weiterhin Bilder. Es zeigte mir die Parade der Kinder und Reiter, jetzt mutlos und zitternd unter der Wut unseres verrückten Gottes. Ich sah mich selbst, wie ich in die Arme einer Gestalt mit grünem Umhang fiel, während andere Gestalten die Zügel meiner Stute gepackt hielten und mit ihr rangen, als sie stieg und buckelte, um freizukommen. Noch mehr Kinder stürzten, nein, wurden herabgezogen von Gestalten, die sie ins Licht zerrten und einfach nicht loslassen wollten.
    Und dann sah ich die Frau, die am Rande des Lichtkegels stand, beide Hände vor sich ausgestreckt, die Handflächen nach unten. Sie war nicht groß, aber etwas an ihr ließ sie fast so gewaltig wirken wie Blind Michael. Ihre Haare wallten in dunklen Locken herab wie die Wogen einer kabbeligen See, ihre Augen waren weiß wie sprühende Gischt, und sie trug eine graue Robe, bestickt mit Mustern aus Schwarz und Weiß, die das kollektive Auge der Reiter zwangen, sich abzuwenden. Nur Acacia schaute nicht weg: Sie erkannte sie wieder, nannte sie beim Namen und zeigte sie mir mit einer grimmigen Freude, die fast Entzücken glich. Die Luidaeg.
    In mir erwachte etwas, das sich erinnerte, was Hoffnung war, denn sobald ich ihren Namen wusste, erkannte auch ich sie – die Meerhexe, Blind Michaels Schwester, die mich zu ihm gesandt hatte. Da waren noch andere Gestalten hinter ihr in der Dunkelheit, doch sie spielten keine Rolle. Die Luidaeg würde mich retten, wenn irgendwer das vermochte. Immerhin schuldete ich ihr noch etwas. Sie brauchte mich lebend, damit ich meine Schulden begleichen konnte.
    Ich war auf meinem Fänger gelandet und erschauerte unwillkürlich, als der Schmerz nachzulassen begann. Die Person unter mir schien weniger unter dem Licht gelitten zu haben als ich, denn sie rührte sich bereits. Ihr Vorteil. Sie schnellte sich mit einem Ruck unter mir hervor, sobald ich Luft holte. Die Arme fest um mich geschlungen, drehte sie mich um

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