October Daye: Nachtmahr (German Edition)
hörte hektischen Hufschlag, der seine Worte begleitete wie ein Tandemstakkato. Er war es also, der Katies Zügel ergriffen hatte. Oh, Eiche und Esche. Kleiner Held.
»Connor O’Dell! Sie ist meine Freundin, und Ihr könnt sie nicht haben!« Connor war immer ein typischer Fall für das Klischee ›ein Galan, doch kein Ritter‹, aber seine Stimme war frei von Furcht. Er würde mich mitnehmen oder nicht von der Stelle weichen.
Sie waren meinetwegen gekommen? Sie alle? Bei Titanias Tränen. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Erstgeborene herauszufordern ist niemals klug, nicht mal, wenn man eine von ihnen auf seiner Seite hat, und bei der Luidaeg weiß man nie, auf welcher Seite sie wirklich steht. Meist auf ihrer eigenen.
Ich glaubte, dass mich nichts mehr überraschen könnte. Da rief die Frau, die mich festhielt: »May Daye, Holing!«
Ich machte die Augen auf und starrte in einen Spiegel. »May?«, quietschte ich. Die gespaltene Sicht des Ritts begann zu verblassen, und ich sah mit meinen eigenen Augen.
Wohlbekannte Lippen verzogen sich zu einem eher unvertrauten Lächeln. »Nur allzu leibhaftig«, erwiderte sie.
»Was zum Henker geht hier vor?«
»Wir haben kurzerhand den Kompass umgedreht«, sagte sie und schaute an mir vorbei. »Und jetzt kriegen wir gleich die Quittung dafür.«
Ich reckte den Hals, um ihrem Blick zu folgen. Blind Michael war abgestiegen. Er schritt bis zum Rand des Lichtkegels und blieb dort zornbebend stehen. Die Luidaeg stand keinen Meter von ihm entfernt, geschützt nur durch das Licht.
»Kleiner Bruder, du hast verloren. Geh nach Hause«, sagte sie sanft. »Nimm die Kinder, die dir noch bleiben, und geh. Wir folgen dir nicht. Ich halte Amandines Tochter davon ab, dich zu jagen, und wenn du in hundert Jahren wieder reitest, erinnert sich niemand mehr an das hier außer dir und mir.«
»Es gibt Regeln«, entgegnete er. »Ich kann immer noch versuchen, sie mir zurückzuholen.«
»Das kannst du versuchen – wenn du zuvor anerkennst, dass du sie vielleicht verlierst, und mehr als nur sie. Kannst du diese Wahrheit unwiderruflich anerkennen?«
»Das kann ich.«
»Oh, Michael. Du warst schon immer ein Narr.« Die Luidaeg schüttelte den Kopf. »Versuch dein Glück. Wer seine Beute loslässt, hat verloren, alle anderen werden frei.« Sie wandte sich ab, und ihr Umhang schwang um sie herum wie eine Welle. May über mir spannte sich ruckartig an.
»May, was – «
»Du hast die weiße Stute geritten. Jetzt bringen wir das Lied zu Ende.« Es blieb keine Zeit, noch etwas zu sagen. Blind Michael drehte sich zu mir und hob die Hand.
Verwandlung brennt furchtbar. Mir blieb kaum Zeit, überhaupt zu merken, dass ich umgestaltet wurde, da geschah es bereits, und der gewaltige Druck von Blind Michaels Magie zwang mein Bewusstsein, sich meiner neuen Gestalt anzupassen. May war plötzlich riesig, und sie drückte mich brutal zu Boden mit ihrem Gewicht, welches das meine um mindestens das Dreifache überstieg.
Ich musste hier weg, musste unbedingt fliehen, musste freikommen und davonfliegen! Andernfalls würde sie mich töten und meine feinsten Knochen als Zahnstocher benutzen. Das wusste ich so sicher, wie ich die Kurve meiner Flügel kannte und das Gefühl des Windes, der über meine Schwungfedern strich. Ich warf mich gegen ihre Arme, fauchte und hackte mit meinem Schnabel auf sie ein. Flucht war alles, was zählte, ganz gleich, ob und wie sehr ich mich bei dem Versuch verletzte.
Connor sprang herbei und hielt meine Flügel fest, während May mich am Kopf packte. Ich wehrte mich wie rasend, aber ich war gefangen. Ich konnte nicht weg.
»In deinen Armen macht er mich zum wildesten der Schwäne!«, rief die Luidaeg. Ihre Stimme durchdrang den Nebel, der mich umgab, und lichtete den Wahnsinn in meinem Bewusstsein. Ich hörte auf, mich zu wehren. Connor ließ los, und May schmiegte sich um mich herum und hielt mich behutsam fest. »Doch lässt du mich nicht los, so kann ich einst dein Kind verwöhnen.«
Die Welt veränderte sich erneut. Diesmal war ich lang und geschmeidig, doch ohne Flügel, mit denen ich auf meine Häscherin einschlagen konnte. Ich hatte mich schon halb aus ihrem Griff geschlängelt, da packte sie mich hinter dem Kopf, und ich war festgenagelt. Jemand kreischte, und ich hörte Cassandra beschwörend rufen: »Ich fürchte mich nicht vor Schlangen, ich fürchte mich nicht vor – oh Gott, ich glaube, sie ist giftig – Schlangen – «
Ich kam frei, fuhr
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