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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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nachdem die Nachtschatten mit mir fertig wären.
    Natürlich stand eher zu befürchten, dass ein sterblicher Narr über einen Leichnam mit spitzen Ohren stolperte, sodass sich die Überlebenden all der Fragen annehmen müssten, die darauf folgen würden. Faerie ist es durch reines Glück gelungen, so lange versteckt zu bleiben, und Glück kann nicht ewig halten.
    Der Geschmack von Rosen stieg mir in die Kehle und überlagerte den beißenden Geschmack von Blut. »Tut mir leid, Evening«, flüsterte ich. Es gibt Dinge, die vermögen selbst Versprechen nicht zu bewirken. Vage fragte ich mich, was geschehen mochte, wenn es zu bluten aufhörte. Würde es schmerzen? Oder schliefe ich einfach ein? So viele Fragen und so wenig Zeit, bevor der Schock und Blutverlust sie akademisch werden ließen.
    Weihrauchgeruch mischte sich zum Geschmack von Blut und Rosen und erregte meine Aufmerksamkeit. Ich befand mich auf halbem Wege den Hang eines Hügels entlang, ehe mir klar wurde, dass ich den Asphalt verlassen hatte. Meine Füße glitten unter mir weg, verloren im rutschigen Gras den Halt. Den Rest des Weges schlitterte ich. Wenigstens spürte ich keine Schmerzen mehr. Darüber war ich angenehmerweise hinaus. Nichts spielte noch eine Rolle. Ich wusste, es gab etwas, das ich tun musste, doch ich verlor aus den Augen, worum es sich handelte. Der Weihrauchgeruch wurde stärker und lockte mich. Ich schaute auf und erstarrte.
    Ich lag ausgestreckt vor einem stilisierten orientalischen Tor. Es verbarg sich größtenteils hinter Bäumen mit dichtem Blätterwerk und Kletterfarn, doch das war egal: Ich kannte es. Ich hätte tot sein können und hätte dieses Tor immer noch erkannt. Es suchte mich in meinen Träumen heim.
    Der Japanische Teegarten.
    Nach allem, was sich dort zugetragen hatte, hätte ich mich lieber der Gastfreundschaft des Hortes des Blinden Michael in einer Vollmondnacht ausgeliefert, ohne Kerze, um mir den Weg nach Hause zu leuchten. Aber noch während ich mich hochstemmte, wusste ich, dass ich es mir nicht aussuchen konnte. Wenn man am Verbluten ist, darf man nicht wählerisch sein. Außerdem wäre es durchaus passend für mich, im Teegarten zu sterben. Zuvor hatte ich dabei versagt, diesmal könnte ich es richtig machen.
    Unruhig rappelte ich mich auf und wankte auf den Eintrittsbereich zu. Mein linker Arm baumelte nutzlos herab, und ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, als ich mit der rechten Hand in der Tasche meiner Jeans kramte. Alles, was ich darin fand, waren zerdrückte Pilze und blutige Fussel. Ich hatte das letzte Kleingeld in die Fahrgeldkassette im Bus geworfen, ohne nachzusehen, wie viel ich überhaupt bezahlte. Nun war es zu spät. Es ist unhöflich, sich in jemandes Mugel einzuschleichen, aber mir gingen allmählich die Zeit und die Möglichkeiten aus. Wenn ich nicht bezahlen konnte, musste ich mir auf anderem Wege Zugang verschaffen.
    Die Frau am Tor blinzelte erst, dann weiteten sich ihre Augen ob des Zustands meiner Kleider. Sie war blond, hatte gefranstes Haar und vermutlich ein ebenso gefranstes Hirn, aber ich erkannte an der Form ihrer Augen und der Art, wie sie den Kopf hielt, dass in ihren Adern ein paar Tropfen Fae-Blut flossen, auch wenn es nicht stark genug sein mochte, um sie mehr als sterblich zu machen. Die Fae, die im Golden-Gate-Park leben, kümmern sich um ihresgleichen.
    Für mich kam das Erbe dieser Frau einem Segen gleich; dadurch würde sie empfänglicher sein. Selbst wenn ich sie nicht davon überzeugen könnte, nicht das zu sein, wofür sie mich hielt, sollte es mir doch gelingen, sie lange genug zu verzaubern, um in den Teegarten zu gelangen. Vielleicht würde mir Lily nicht helfen können, aber sie bot die größten Chancen bei einer äußerst begrenzen Auswahl von Möglichkeiten. Zumindest wusste ich, dass ich in Frieden sterben könnte, wenn ich mich auf ihrem Landbesitz befände.
    Ich biss mir auf die Zunge und flüsterte mir selbst die ersten drei Zeilen von »Eulerich und Miezekatz« zu. Dann stolperte ich, als die Eisenwunde in meiner Schulter von einer fernen Taubheit zu grellen, neuen Schmerzen aufflammte. Ich stützte mich am Rand der Kabine ab, holte tief und unstet Luft und reichte meine blutigen Fussel sowie die Pilze der Frau hinter dem Schalter.
    Beinah hätte es nicht gereicht. Die spärliche Macht, die ich besaß, begann zu verblassen, während ich zwischen Bewusstlosigkeit und Wachzustand hin- und herschwankte. Sie runzelte die Stirn, bevor sie mit

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