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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Spiegel näher auf meine Seite des Autos rückte, offensichtlich nach wie vor in der Annahme, dass wir nach irgendwelchen heiklen Regeln spielten. Er irrte sich aber.
    Ich mag Spiele. Und in der Regel gewinne ich.
    Kaum hatte er sich vollständig in Bewegung gesetzt, trat ich das Gaspedal durch und riss den Wagen scharf nach links. Der Unbekannte flog durch den Innenraum und prallte mit einem befriedigenden Klatschlaut gegen die Tür. Rings um uns plärrten Hupen, als wir eine Einbahnstraße in die falsche Richtung entlangrasten. »Was zu m … ?!«, ertönte jetzt von hinten eine Stimme. Ich hatte sie noch nie zuvor gehör t – gut. Das bedeutete: Es war niemand, den ich kannte, folglich würde ich weniger Gewissensbisse haben, wenn es mir gelänge, das Auto in eine Mauer zu katapultieren und ihn umzubringen. Ich kann mitunter käuflich sein, aber ich bin nicht herzlos.
    »Das nennt man rücksichtsloses Fahren, Mistkerl!« Wir befanden uns auf direktem Kollisionskurs mit einem Taxi. Im letzten Moment schwenkte ich herum und fluchte. Letzteres tat mir der Kerl im Fond gleich, nur lauter. Außer ihm wollte ich niemanden verletzen, und ich würde mich sogar damit begnügen, ihn lediglich so schlimm zu erschüttern, dass er mich nicht weiterverfolgen konnte, wenn ich wegliefe. »Ich weiß, dass ich einen Unfall überleben werde. Wie steht’s mit dir? Hast du schon mal daran gedacht, dich anzuschnallen?«
    »Du wirst uns beide umbringen!«
    »So ist es ja gedacht!« In einer gewisse n – fatalistische n – Weise hatte ich tatsächlich Spaß daran. Ich lächelte grimmig, als wir im Zickzack durch den entgegenkommenden Verkehr rasten und ich die Beinahzusammenstöße immer knapper vermied. Es geht doch nichts über eine gute Hochgeschwindigkeitsverfolgungsjagd, um den Abend zu begehen, auch wenn in diesem Fall eigentlich nur ein Auto darin verwickelt war.
    »Halt sofort an, oder ic h … «
    »Oder was?« Ich bog in eine weitere Einbahnstraße. Diesmal bewegten wir uns sogar mit dem Verkehr, mal davon abgesehen, dass ich rund hundertvierzig Sachen draufhatte, während alle anderen etwa fünfzig fuhren. »Willst du mich schlagen? Schätzchen, wenn du Tante Toby das Lenkrad entreißt, während wir so schnell unterwegs sind, werden wir beide sterbe n – also du und ich, nicht nur ich. Lehn dich zurück und genieß die Fahrt, es sei denn, dein Auftraggeber bezahlt dich so gut, dass du bereit bist, dafür draufzugehen.«
    Knurrend wich die Gestalt auf dem Rücksitz zurück. »Spitzohriges Bies t … «
    »Eigentlich bin ich eine spitzohrige Schlampe. Nur Reinblütler können Biester sein.« Ich schwenkte nach links und hörte, wie er gegen die Seite prallte. »Hast du dich noch immer nicht angegurtet?«
    »Ich bring dich um!«
    »Dafür wirst du dich aber hinten anstellen müssen.« Irgendwie hatte es sich ergeben, dass ich halb auf der Straße und halb auf dem Gehsteig fuhr. Solange die Fußgänger aus dem Weg sprangen, hatte ich auch kein Problem damit.
    Diesmal knurrte er nur. Gut. Er wurde wütend, und ich wurde müde. Es war an der Zeit anzuhalten. Ich rammte den Fuß auf die Bremse und brachte den VW quietschend zum Stehen. Mit einer Hand löste ich den Sitzgurt. Die Stoßdämpfer könnte ich definitiv abschreiben, aber das war es fast wer t – ich hatte ewig nicht mehr so viel Spaß gehabt.
    Mein uneingeladener Passagier prallte mit einem widerhallenden Rums gegen die Rückenlehne des Sitzes. Ich erhaschte noch einen flüchtigen Blick auf sein zornig knurrendes Gesicht, auf schmale Lippen, unter denen übergroße gelbliche Zähne zum Vorschein kamen, bevor ich zur Tür hinaussprang und die Straße hinunter losrannte, ohne zurückzuschauen.
    Angst und Adrenalin sind des Flüchtenden beste Freunde. Ich hatte fast einen Viertelblock zurückgelegt, als ich hörte, wie die Autotür zugeschlagen wurde, gefolgt von einer Männerstimme, die mir hinterherbrüllte, ich solle stehen bleiben. Das allerdings würde nicht geschehen. Der Mann war ein Powrie, und Powries sind so gut wie immer gedungene Strolche; sie greifen nicht willkürlich an. Jemand hatte ihn auf mich gehetzt. Wer immer es gewesen sein mochte, hatte so gut wie sicher Evening auf dem Gewissen, und sobald man mich durch Folter dazu gebracht hätte zu verraten, wo sich die Hoffnungslade befand, würde ich als Nächste sterben. Ich rannte weiter und hörte gar nicht, wie sich der Schuss löste.
    Die Kugel traf mich von hinten an der linken Schulter, unmittelbar

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