Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
Vom Netzwerk:
den Blick abwenden, bevor er den Treffer landete, und erblickte die Pistole, kaum einen Meter entfernt. Mühsam rappelte ich mich auf Hände und Knie und robbte über das Gras, um sie mir zu holen. Die Wunden in meinem Oberschenkel und meiner Schulter brüllten bei jeder Bewegung.
    In der Waffe befanden sich noch drei Eisenpatrone n – genug, um ein Dutzend Wechselbälger zu töten. Vermutlich sollte ich mich geehrt fühlen, dass jemand so viel Mühe auf sich lud, um mich aus dem Weg zu räumen, doch mir wurde nur übel. Die verbliebenen Kugeln sangen den Wunden in meiner Schulter und meinem Oberschenkel zu und verschlimmerten die Schmerzen noch. Eisen erkennt sich. Nicht zuletzt deshalb ist es so gefährlich.
    Hinter mir setzte ein leises Schniefen ein, das schriller und lauter wurde, bis es in ein lang anhaltendes Geheul ausartete. Ich stemmte mich auf die Füße und drehte mich um, den Blick nach wie vor zu Boden gerichtet. Ich wollte nicht sehen, was mich dort erwartet e – aber ich musste. Sogar die Reinblütler trauern um ihre Toten.
    Julie hielt Ross in den Armen. Ihr Haar breitete sich wie ein Leichentuch über ihnen beiden aus. Blut war nicht viel zu erkennen, nur ein paar Spritzer vorne auf Ross’ Hemd; zu wenig, um zu erklären, weshalb er sich nicht rührt e … bis Julie den Kopf hob, dadurch ihr Haar beiseitezog und das schartige Loch offenbarte, das den Großteil seiner Stirn über dem linken Auge weggefetzt hatte. Er musste auf der Stelle tot gewesen sein. Irgendwie bezweifelte ich, dass dies Julie ein Trost sein würde. Lily hatte die beiden mitgeschickt, um mich zu beschützen. Warum also fühlte es sich so an, als wäre ich diejenige, die dabei versagte hatte, sie zu beschützen?
    Eine Hand senkte sich auf meine Schulter. Ich wollte zurückspringen und taumelte stattdessen, als sich die Schmerzen in meinem Bein wieder meldeten. Tybalt schlang einen blutigen Arm um mich und fing meinen Sturz auf, indem er mich an sich abstützte. Mit zu Schlitzen verengten Pupillen blickte er auf mich herab. Ich schluckte.
    »Ic h … «, stammelte ich. Er schaute zu Julie und Ross, dann wieder zu mir. Ich nickte. »Das wollte ich nicht.«
    »Ich weiß. Und Lily wollte ebenso wenig, dass den beiden etwas geschieht«, sagte er in einem freundlicheren Tonfall, als ich ihn jemals von ihm gehört hatte. »Auch Julie wird das wissen, sobald sie dazu in der Lage ist. Aber im Augenblick wird sie es nicht verstehen.«
    »Bist du verletzt?« Ich betrachtete ihn, so gut ich e s – so an seine Brust gedrück t – konnte. Das Blut schien aber ausnahmslos nicht von ihm zu stammen. Der Powrie lag reglos dort, wo er gefallen war, aber beim Gedanken an die Trostlosigkeit in Julies Augen konnte ich irgendwie kein Mitgefühl für ihn empfinden. Er wurde angeheuert, um zu töten, und er wollte seine Aufgabe erledigen. Hoffentlich hat ihm sein Auftraggeber auch genug bezahlt, um dafür zu sterben.
    Tybalt blinzelte und blickte verdutzt drein. »Ich bin nicht verletzt. Du hingege n … «
    »Ich habe ja schon eine Eisenvergiftung. Mit so viel Undinen-Wasser in mir wird es durch diese neue nicht noch schlimmer werden.«
    »Trotzde m … «
    »Ich kann stehen«, sagte ich und drückte mich von ihm weg. Nach kurzem Zögern ließ er mich los. Ohne die Augen von mir abzuwenden, senkte er die Hand auf die Wunde an meinem Oberschenkel, drückte zwei Finger dagegen und hob sie an den Mund. Seine Zunge schnellte hervor, um das Blut zu kosten. Ich unterdrückte ein Schaudern.
    »Das ist kein sterbendes Blut«, erklärte er schließlich. »Du wirst weiterleben.«
    »Großartig, das ist sehr beruhigend. Jetzt fühle ich mich gleich besser.«
    »Solltest du auch. Es wäre sehr unpraktisch gewesen, dich heute Nacht sterben zu lassen.«
    Ich schlang die Hände fest um mein Bein und verbiss mir mehrere spitze Erwiderungen. Die Blutung verlangsamte sich. Tybalt hatte recht. Die Verletzung würde mich nicht umbringen. »Weil du dann die verfluchte Lade ewig am Hals hättest?«
    »Natürlich«, gab er zurück.
    Ich Idiotin. Warum sollte er mich denn retten, wenn nicht für seine Schulden? Unter gewöhnlichen Umständen wäre er wahrscheinlich mit Popcorn aufgekreuzt. »Du hast gut gekämpft. Ich habe dich noch nie zuvor dabei beobachtet.«
    Er gestattete sich ein schmales Lächeln. »Du hast ihn lange genug abgelenkt, da konnte ich in die Bäume klettern.« Näher ließen uns die komplexen Gesetze der Etikette von Faerie nicht an einen gegenseitigen

Weitere Kostenlose Bücher