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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Beziehung.«
    Meine Hände lagen gefaltet auf dem Tisch. Vipernflink schlug er zu, packte meine linke Hand und umschloss sie so fest mit seiner, dass fast meine Fingerknöchel zerbröselten.
    Die öde Betonzelle verschwand, und ich stand wieder an jenem Traumstrand, umgeben von einem Sturm aus blutrotem Licht.
    Chief Hoss Shackett war sichtlich kein Mann, der sich ohne weiteres anmerken ließ, was er fühlte oder dachte. Als er mich jedoch wieder in die Realität zurückholte, indem er meine Hand losließ und sich zurücklehnte, sah ich an seinen leicht erweiterten Pupillen, dass er meine alptraumhafte Vision miterlebt hatte.
    »Hm«, sagte ich, »was ist da eigentlich passiert?«
    Er antwortete nicht.
    »So etwas habe ich nämlich erst einmal erlebt, und es jagt mir einen Riesenschrecken ein.«
    Er hatte ein hartes, starkes Gesicht, um das ihn jeder Gewaltherrscher nur beneiden konnte. Seine Kiefermuskeln waren an den Gelenken so knotig, dass es aussah, als könnte er mit den Zähnen Walnüsse knacken.
    »Noch nie ist ein Traum von mir auf jemand anders übergegangen«, fuhr ich fort. »Es ist für mich genauso befremdlich wie für Sie, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Ein Traum, ja?«
    »Ich hatte heute einen Alptraum, und wenn irgendwelche Leute mich jetzt anfassen, falle ich in ihn zurück. Allmählich komme ich mir vor wie in einem Gruselfilm.«

    Er beugte sich vor. Es war nur eine kleine Bewegung, aber ich fühlte mich wie eine Maus, vor deren Loch plötzlich ein schwarzer Kater aufragt.
    »Wer bist du?«, fragte er.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »So nett werde ich nicht lange weiterfragen.«
    »Sir, ich weiß zu schätzen, wie nett Sie bisher gewesen sind. Ganz ehrlich. Aber ich meine es ernst. Ich leide nämlich unter Amnesie.«
    »Amnesie.«
    »Ja.«
    »Jämmerlich!«
    »Das kann man wohl sagen. Ich weiß weder etwas über meine Vergangenheit noch wie ich heiße, wo ich herkomme und wo ich hinwill. Es ist wirklich jämmerlich.«
    »Du hast Reverend Moran gesagt, du würdest Todd hei ßen.«
    »Sir, ich schwöre, den Namen habe ich bloß erfunden, um etwas zu antworten. Genauso hätte ich Larry oder Vernon sagen können, oder auch Rupert oder Ringo. Ich weiß meinen Namen einfach nicht mehr.«
    Er fing wieder an, mich anzustarren, was genauso wirksam war wie vorher. Mit jeder Sekunde war ich mehr davon überzeugt, dass ich etwas über mich verraten musste, sonst würde er mir die Nase abbeißen. Als Vorspeise.
    Obwohl er es ohne Zweifel als Schwäche deutete, wenn ich den Blick abwandte, musste ich das tun, bevor er mir mit den Augen die Seele aus dem Leib saugte. Deshalb betrachtete ich die Hand, die er vorher gequetscht hatte, um mich zu vergewissern, dass noch alle Finger daran waren.
    Mit dem feierlichen Ernst von Darth Vader sagte der Chief: »Du hast keinen Ausweis dabei.«

    »Ja, Sir, das stimmt. Wenn ich einen Ausweis hätte, wüsste ich, wer ich bin.«
    »Ich mag es nicht, wenn man in meiner Stadt ohne Ausweis herumläuft.«
    »Nein, Sir, natürlich nicht, schließlich vertreten Sie Recht und Gesetz. An Ihrer Stelle würde ich das auch nicht mögen, selbst wenn es nicht in der Verfassung steht, dass man einen Ausweis dabeihaben muss.«
    »Du bist wohl Spezialist für Verfassungsrecht, was?«
    »Nein. Na ja, möglich wäre es schon, aber das weiß ich erst, wenn ich mein Gedächtnis wiedergewonnen habe. Übrigens, ich habe so eine Ahnung, was mit mir passiert ist. Ich glaube, jemand hat mich überfallen.«
    Vorsichtig betastete ich die Beule an meinem Kopf, die der inzwischen tote Whittle mir mit seiner Taschenlampe zugefügt hatte.
    Der Chief beobachtete mich, ohne etwas zu kommentieren.
    »Durch den Schlag, den man mir zugefügt hat, leide ich offenbar unter Amnesie. Und dann hat der Kerl meinen Geldbeutel mitgenommen.«
    »Wann hat man dich überfallen? Heute Abend, am Strand?«
    »Am Strand? Heute Abend?« Ich runzelte die Stirn. »Nein, Sir. Ich glaube, das muss viel früher am Tag passiert sein.«
    »In meiner Stadt wird man bei hellem Tageslicht nicht überfallen.«
    Ich zuckte die Achseln.
    Das gefiel ihm eindeutig überhaupt nicht, aber ich konnte es nicht mehr zurücknehmen.
    »Du behauptest also, man hat dich überfallen, bevor du heute Abend vom Pier gesprungen bist?«

    »Ja, Sir, genau. Das ist sogar das Erste, woran ich mich erinnere: Ich gehe auf der Strandpromenade auf den Pier zu und grüble dabei darüber nach, wer ich bin, wo ich bin und ob ich zu Mittag gegessen habe.«
    »Wieso

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