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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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bist du vom Pier gesprungen?«
    »Da man mich kurz vorher bewusstlos geschlagen hatte, war mein Verhalten nicht ganz rational.«
    »Wieso hast du Rolf erzählt, dass ein neun Meter hoher Tsunami anrollt?«
    »Rolf?«
    »Rolf Utgard.«
    »Wer ist das?«
    »Du weißt schon, von wem ich rede. Ein Riesenbrocken mit Kinnbart.«
    »Ach ja, den habe ich ganz nett gefunden. Sehr hübsches Hawaiihemd. Allerdings erinnere ich mich nicht mehr, dass ich ihm was von einem Tsunami erzählt hätte. Ich muss von dem Überfall noch ganz benommen gewesen sein.«
    »Rolf hat dir die Hand auf die Schulter gelegt - und genau dasselbe gesehen wie ich gerade, als ich deine Hand angefasst habe. Er hat es mir berichtet.«
    »Ja, Sir. Er und Sie. Es ist jetzt schon zweimal passiert. Das ist der Traum, den ich hatte, als ich nach dem Überfall bewusstlos war.«
    »Erzähl mir von deinem Traum.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen, Sir. Sie haben ihn ja gesehen. Der rote Himmel, das Meer voller Licht und der grelle Strand. Einfach furchterregend.«
    Die Pupillen seiner Augen weiteten sich wieder, als wollte er gleich das Licht ausschalten, um mich im Dunkeln weiter zu beäugen.
    »Furchterregend«, wiederholte ich.

    »Was könnte das wohl für eine Bedeutung haben, hm?«
    »Eine Bedeutung? Der Traum, Sir? Also, ich habe noch nie etwas geträumt, was eine Bedeutung hatte. So was kommt doch nur in alten Filmen mit Wahrsagerinnen und Kristallkugeln vor.«
    Endlich wandte er den Blick ab. Er starrte so lange auf den dritten Stuhl in der Ecke, dass ich ebenfalls dorthin blickte.
    Dort saß Mr. Sinatra. Ich weiß nicht, wie lange er schon im Raum war. Er deutete auf mich, als wollte er sagen: Schaut gut aus, Junge.
    Hoss Shackett sah Frankieboy natürlich nicht. Er stierte in den leeren Raum. Vielleicht stellte er sich vor, wie er mich ausweidete.
    Der Chief bog die Finger ein und studierte seine gepflegten Nägel, als wollte er sich vergewissern, dass vom letzten Verhör kein getrocknetes Blut mehr unter den Rändern klebte.
    Anschließend betrachtete er eine Weile die massive Tür, wobei er sich wahrscheinlich vorstellte, wie gut sie die Schreie derer abgeschirmt hatte, die vor mir im Raum gewesen waren.
    Als er den Blick an die bedrückend niedrige Decke richtete, lächelte er. Hätte er das im Freien getan, wären die am Himmel fliegenden Vögel vor Schreck tot zu Boden gefallen.
    Schließlich blickte er auf die Stahlblechplatte des Tischs. Er beugte sich vor, um sein verschwommenes Spiegelbild auf der Oberfläche zu betrachten, die von jahrelanger Benutzung und vielen schweißigen Händen matt geworden war.
    Das Spiegelbild war nicht als sein Gesicht erkennbar. Eigentlich sah es nicht einmal wie ein Gesicht aus. Es bestand aus verschmierten, dunklen Kringeln, klumpig und verzerrt.
    Scheinbar gefiel er sich so, denn er lächelte schon wieder.

    Chief Hoss machte mich derart kirre, dass ich mir wünschte, er möge mich wieder ansehen.
    Mein Wunsch wurde erfüllt. Er sah mir in die Augen.
    »Junge«, sagte er, »was meinst du - wollen wir nicht Freunde sein?«
    »Ja, das wäre schön, Sir«, gab ich brav zur Antwort.

26
    Chief Hoss Shackett machte eine Veränderung durch wie die intelligenten außerirdischen Maschinen in dem Film Transformers , die sich aus einem stinknormalen Personenwagen in einen gigantischen Roboter verwandeln können, hundertmal so groß wie das Fahrzeug, aus dem sie entstanden sind.
    Damit meine ich nicht, der Chief hätte urplötzlich die gesamte Zelle ausgefüllt und mich an die Wand gepresst. Vielmehr verwandelte er sich aus Mr. Hyde - wenn man sich diesen als sadistischen Lagerwärter vorstellte - in den gütigen Dr. Jekyll, wenn man sich diesen als jovialen Sheriff einer Kleinstadt vorstellte, in der das größte Verbrechen innerhalb der letzten zwanzig Jahre darin bestanden hatte, dass Mrs. Schultz das Rhabarbermarmeladenrezept von Mrs. Miller geklaut und es beim Marmeladenwettbewerb als ihres ausgegeben hatte.
    Das grimmige Grinsen schmolz zu dem Lächeln eines Opas, der in irgendeinem Fernsehwerbespot mit seinen Enkeln und einem süßen kleinen Hündchen spielt.
    Die verknoteten Muskeln in seinem Gesicht lockerten sich. Aus seinem ganzen Körper wich die Anspannung. Auf seiner Haut erschien ein rosiger Schimmer wie bei einem Chamäleon, dessen Farbe von Grau zu Rosa wechselte.
    Erstaunlicherweise veränderte sich sogar der giftgrüne
Schimmer in seinen Augen, die nun ganz normale irische Augen waren, zufrieden

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