Oder sie stirbt
klein gemacht, nach dem Motto: Lasst mich in Ruhe, dann lass ich euch auch in Ruhe. Und es hat funktioniert. Allerdings zermartere ich mir immer noch den Schädel, wer mich da so fertiggemacht hat und worauf das Ganze hinauslaufen sollte.«
»Zumindest weißt du jetzt, was dich am Ende des Weges erwartet hätte.«
»Der elektrische Stuhl.« Er hatte es als Witz gemeint, doch als er meine Miene sah, fügte er schnell hinzu: »Hey, ich mach doch bloß Witze. Du kommst da schon wieder raus.«
»Wie denn? Wirst du meine Geschichte bestätigen?«
Er lachte. »Sagen wir mal so: Wenn du die Polizei fragst, dann wiegt mein Wort wahrscheinlich noch weniger als deins. Ich würde dir mehr schaden als nützen. Außerdem hab ich doch keine Beweise. Nichts Konkretes.«
»Die haben wir beide nicht.«
»Ja, du hast keine Zeugen mehr. Die sterben alle weg.« Da zählte er eins und eins zusammen, und plötzlich sah man die nackte Angst auf seinem Gesicht. »Deswegen bist du also zu mir gekommen? Um mich zu warnen?«
»Ja.«
»Glaubst du, dass sie wirklich …?«
»Ich glaube, ich würd’s nicht drauf ankommen lassen.«
»Du liebe Zeit. Ich …« Er sah sich im Van um, als würden sich die Wände gleich auf uns zubewegen. Sein panischer Schweißausbruch verriet mir endgültig, dass er nicht zu ihnen gehören konnte. »Okay«, sagte er. »Ich bin verschwunden, bevor die Polizei hier auftaucht.« Er bohrte den Daumen in die Polsterung und weitete den Riss noch aus. »Du hättest nicht kommen müssen, um mich zu warnen. Danke.«
»Ich brauche die Adresse von Trista Koan«, verlangte ich.
Er nickte einmal kurz und bestimmt, wie ein Mann, der es gewohnt ist, Geschäfte zu machen. »Ich besorg sie dir. Gib mir eine Stunde. Sagst du mir noch kurz deine Handynummer?« Ich nannte ihm die Nummer von Arianas Prepaidhandy, und er ließ sie sich zweimal vorsagen, ohne sie zu notieren. »Was noch?« Seine Augen waren hellgrün und überraschend hübsch geschnitten in seinem grobschlächtigen Gesicht.
Die beiden dumpfen Geräusche, die ich wenige Stunden zuvor zu hören bekommen hatte, hallten plötzlich in meinem Schädel nach, so dass ich kurz zusammenzuckte. Ich dachte an die schwarze Stiefelspitze, auf die ich einen Blick erhascht hatte.
Da Joe mich schon ganz seltsam ansah, räusperte ich mich und sagte: »Ich hätte gern, dass du der Polizei meldest, wo sie Elisabetas Leiche finden. Anonym. Ich darf damit auf keinen Fall etwas zu tun haben.«
»Du hast es doch selbst schon gesagt – dieses Weib hat Leute betrogen, man hat sie schon mehrmals mit dem Tod bedroht. Die Polizei wird sich ihren Reim drauf machen und entweder zum falschen Ergebnis kommen oder die Spur wieder zu dir verfolgen. So oder so, sobald diese Frau tot aufgefunden wird, bist du wieder dran. Warum ihren Tod also melden?«
»Wie bitte? Soll ihre Leiche einfach so da liegen bleiben?«
»Es ist ja nun nicht so, dass sie das noch stören würde.«
»Ich bin sicher, dass sie eine Familie hat.«
»Na und? Wenn die Nachbarn sich in einer Woche über den Geruch beschweren, hat sie immer noch eine Familie, aber du hättest noch ein paar Tage mehr Zeit zum Recherchieren, bevor du die Polizei am Arsch hast. Die hat uns von vorn bis hinten beschissen. Ich finde nicht, dass sie es besser verdient hat.«
»Aber ihre Familie hat es besser verdient«, widersprach ich. »Bitte, mach diesen Anruf für mich.«
»Okay. Ist schließlich
deine
Gefängnisstrafe.«
»Gibt es sonst noch irgendwas, was du mir zu Keith Conner sagen könntest?«
»Ich kann dir alles über Keith Conner sagen«, meinte er, »aber das ist meine Währung. Was bekomm ich dafür?«
»Du hast gesagt, dass du wissen willst, wer dich reingelegt hat. Tja, hier ist deine Chance. Ich verlange nicht mal, dass du einen Teil des Risikos übernimmst.«
Er beschäftigte sich nervös mit seinen Fingernägeln, merkte es aber und legte die Hände schnell in den Schoß. »Nach dem, was ich so beobachtet habe, machen Filmstars nicht allzu viel. Meetings, jede Menge Meetings, mit Managern, Agenten. Im Coffee Bean auf dem Sunset Boulevard rumsitzen. Und Mittagessen im Restaurant. Als Fotograf wartet man und hofft, dass diese Routine irgendwann mal durchbrochen wird und irgendwas Außergewöhnliches passiert. Eines Tages, vor ungefähr zwei Wochen, fiel mir da tatsächlich etwas auf: Ein Wagen folgte Conner und behielt ihn die ganze Zeit im Auge. Das war keiner von den anderen Fotografen, wir kennen uns ja alle
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