Oder sie stirbt
Bewegung!«
Dann flog die Schlafzimmertür auf.
Sie durchsuchten die Wohnung.
Während ich gegen meine Panik ankämpfte, schlich ich durchs Badezimmer und begann vorsichtig an der Kurbel zu drehen, mit der man das Fenster öffnete. Es öffnete sich mit einem leisen Geräusch und begann sich langsam nach außen zu bewegen.
Im Nebenzimmer wurden die Schiebetüren des Kleiderschranks grob aufgeschoben.
Ein Schweißtropfen lief mir über die Stirn und brannte kurz darauf in meinem Auge. Ich bewegte die Kurbel, so schnell ich konnte, aber das Fenster schien sich in Zeitlupe zu bewegen.
Noch einmal die Stimme: »Schau im Bad nach.«
Ich versuchte zu schlucken, aber meine Kehle machte nur ein trocken klingendes Geräusch, und ich begann beinahe zu würgen.
Schritte näherten sich. Das Fenster bewegte sich langsam weiter nach außen, und schließlich war der Spalt breit genug, dass ich einen Fuß hindurchstecken konnte. Die Wade. Den Oberschenkel. Nach dem Knarren der Bodendielen im Flur zu urteilen, musste der Typ jetzt direkt vor der Badezimmertür stehen.
Ich schob mich durch den Fensterspalt, der immer noch so schmal war, dass ich mir die Nase an der Scheibe platt drücken musste, um meinen Kopf hindurchzuzwängen. Unter meinen Turnschuhen knirschte Kies, während ich mich neben dem Badezimmerfenster flach an die Hauswand presste.
Die Badezimmertür ging auf und knallte gegen die Wand. Schritte. Der Gehweg war keine sieben Meter entfernt, aber jeder Schritt über den Kies hätte mich sofort verraten. Ich hatte den Kopf zur Seite gedreht, so dass ich einen schmalen Streifen des Badezimmers von außen im Blick hatte. Ich atmete, betete und zwang meine Muskeln zur Bewegungslosigkeit. Wenn er ans Fenster trat und durch den Spalt hinaussah, war ich tot.
Als ich den nächsten Schritt hörte, schob sich gleichzeitig die Spitze eines schwarzen Schuhs in mein Blickfeld. Durch das ganze Grauen dämmerte mir, dass ich wahrscheinlich gerade einen Danner-Stiefel Größe 45 mit einem kleinen Kiesel im Profil betrachtete.
Wenn sie mir wirklich hierher gefolgt waren, würde er sich ganz bestimmt auch noch die Mühe machen, aus dem Fenster zu sehen. Doch der Stiefel bewegte sich nicht weiter. Was hatte er entdeckt?
Ich hielt schon so lange die Luft an, dass mir die Lungen brannten. Jeder meiner Muskeln war angespannt. Meine Augen taten weh, weil ich nicht mal zu blinzeln wagte. Der Mann war vielleicht noch einen guten Meter entfernt, wahrscheinlich hätte ich durch den Fensterspalt fassen und ihn antippen können. Wenn ich jetzt auch nur das kleinste Geräusch machte, war die Konfrontation unausweichlich. Ich ballte die Hand zur Faust und zwang mich, mir einen Plan auszudenken für den Fall, dass ein Gesicht im Fenster erschien. Auf die Augen und den Kehlkopf losgehen. Und dann den Sprint meines Lebens hinlegen.
Leise zog sich der Stiefel aus meinem Blickfeld zurück, und ich hörte eine Hand in der Badewanne rühren. Zweifellos schob er den Schaum beiseite, um sich zu vergewissern, dass sich niemand unter Wasser versteckte. Dann entfernten sich die Schritte, und erst nach ein paar Sekunden der Ungläubigkeit begriff ich, dass er tatsächlich weg war.
Aus dem Wohnzimmer hörte ich, wie sie sich murmelnd berieten. Anschließend ging die Haustür auf und wieder zu, und dann war es einen Moment ganz still.
Doch die Erleichterung blieb aus.
Von der Straße aus war ich problemlos zu sehen – je nachdem, welchen Weg sie nahmen, würden sie mich entdecken. Als ich gleich um die Ecke ein Tor quietschen hörte, handelte ich. Hastig stieg ich durch das Fenster wieder ins Badezimmer und drückte mich gegen die Hinterwand. Wartete. Und horchte auf Schritte auf dem Kies. Aber es kamen keine.
Irgendwann ließ ich den angehaltenen Atem heraus, schauderte am ganzen Körper und glitt an der Wand entlang zu Boden. Ich umklammerte meine Knie und blieb erst einmal zehn Minuten so sitzen. Oder auch dreißig. Ich atmete nur. Irgendwann stand ich auf, und ich hatte das Gefühl, meine Muskeln müssten knarren, so steif waren sie.
Sie lag ungefähr anderthalb Meter von der Wohnungstür entfernt. Keine sichtbaren Verletzungen, nur das säuberliche Loch im Stoff auf ihrer Brust und der karminrote Heiligenschein, der ihren Kopf umgab. Einer der Schüsse musste in ihren offenen Mund abgefeuert worden sein. Ihr Bademantel hatte sich leicht geöffnet, und auf ihrer Brust lag eine Nachricht, die aus aufgeklebten, aus der Zeitung ausgeschnittenen
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