Oder sie stirbt
Wohnzimmereinrichtung und blieb schließlich an einer Gestalt hängen, die auf dem Sofa unter einer Decke schlummerte.
Während die Kamera sich langsam zurückzog, hörte ich geradezu, wie das Adrenalin durch meine Adern flutete.
Die Kamera bewegte sich jetzt parallel zur Wand und glitt weiter zur Küche. Ein rascher Schwenk zur Hintertür, das Bild war erst verschwommen, stellte sich aber rasch von selbst wieder scharf. Mir stockte der Atem.
Eine latexbehandschuhte Hand griff nach dem Türknauf, der sich tatsächlich bewegte. Obwohl Ariana mich ständig daran erinnerte, vergaß ich die Tür nur zu oft wieder zu verschließen, wenn ich den Müll rausgebracht hatte. Ein sanfter Druck, und der Eindringling stand im Haus, direkt neben unserem Kühlschrank.
Mein Blick glitt zur Küche, dann wieder zurück zum Bildschirm.
Die Kamera bewegte sich weiter in die Küche, nicht eilig, aber auch nicht vorsichtig. Über die Schwelle ins Wohnzimmer, dann zum Sofa, dem Sofa, auf dem ich schlafend lag, dem Sofa, auf dem ich jetzt gerade saß und mich zwingen musste, nicht panisch über die linke Schulter zu schauen, wo ich eine Kamera in behandschuhter Hand befürchtete.
Ich konnte die Augen nicht vom Bildschirm nehmen. Der Eindringling stand jetzt direkt vor der Couch und blickte auf mich herab. Ich schlief weiter. Meine Wange sah weiß aus, meine Lider zuckten. Ich bewegte mich, drehte mich auf die Seite, wobei ich mit der Faust ein Stück Decke umklammerte. Der Camcorder zoomte das Bild heran. Näher. Noch näher. Die verschwommene Aufnahme eines REM -flackernden Augenlids. Noch näher, bis man die Haut nicht mehr als solche erkennen konnte, bis man überhaupt nichts mehr auf dem Bild unterscheiden konnte und nur das leichte Zucken blieb, das an die flatternden Querstreifen einer Bildstörung erinnerte.
Dann wurde es dunkel.
Ich merkte, dass ich die Decke umklammerte, genau wie in dem Clip. Ich fuhr mir mit dem Handrücken übers Genick und wischte den Schweiß an meiner Jeans ab, wo er einen dunklen Fleck hinterließ.
Als ich dann nach oben rannte, war es mir egal, ob ich Ariana weckte oder nicht. Ich stieß die Tür zum dunklen Schlafzimmer auf und sah sie schlafend im Bett liegen. In Sicherheit. Ihr Mund war leicht geöffnet, und die Haare fielen ihr über die Augen. In meiner unsäglichen Erleichterung merkte ich, wie das Adrenalin langsam wieder verebbte, und ich sackte am Türrahmen zusammen. Auf dem Fernsehbildschirm war Claire Huxtable gerade dabei, Theo mit seinen Hausaufgaben zu nerven. Ich spürte den Drang, zu Ariana zu gehen und mich zu vergewissern, dass wirklich alles in Ordnung war, aber dann gab ich mich damit zufrieden, dass sich ihre Schultern langsam und regelmäßig hoben und senkten. Das neue Bett, ein Schlitten aus Eichenholz mit handgeschnitzten Verzierungen, sah so solide aus. Fast, als könnte es sie beschützen. Sie hatte unser altes Bett im Monat zuvor ausrangiert, mitsamt Matratze. Bis jetzt hatte ich weder auf der neuen Matratze noch im neuen Bett gelegen.
Leise zog ich die Tür hinter mir zu und lehnte mich im Flur an die Wand, um erst einmal erleichtert durchzuatmen. Natürlich hatte nichts darauf hingedeutet, dass ihr etwas passiert sein könnte, denn die letzte Aufnahme stammte ja von der vergangenen Nacht, und ich hatte Ariana noch eine Stunde zuvor gesehen. Aber im Moment halfen mir rationale Überlegungen ungefähr so viel wie beim ersten Ansehen der Duschszene in
Psycho.
Ich ging zurück ins Erdgeschoss und trat an das Sofa, vor dem der Eindringling mich gefilmt hatte, während ich getrennt von meiner Ehefrau schlief. Die Ausziehcouch, die auszuziehen ich mich hartnäckig weigerte, weil ich das Gefühl hatte, damit würde ich unserem derzeitigen Arrangement dauerhaften Charakter verleihen. Auf den Bildern war nicht zu sehen, welche Boxershorts ich angehabt hatte, also konnte ich nicht genau feststellen, von wann die Aufnahme stammte. Ich riss mich zusammen, griff zur Fernbedienung und drückte wieder auf
Play.
Als ich das körnige Bild sah, auf dem sich die Kamera dem Haus näherte, wurde mir wieder heiß und kalt. Doch ich versuchte, meine Gefühle diesmal beiseitezuschieben und genau hinzusehen. Keine Anzeichen, wann der Rasen zum letzten Mal gemäht worden war. Keine frischen Kratzer an der Hintertür. Keine Teller in der Küchenspüle mit irgendwelchen Essensresten. Der Müll! Ich drückte auf
Pause
und musterte den vollen Abfalleimer. Eine leere Cornflakesschachtel. Ein
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