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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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kleine kursive Logo neben Verrones Schnürsenkeln.
    Danner.
    Es verschlug mir den Atem.
    Durch den Flur sah ich DeWitt immer noch am Telefon. Seine riesigen Stiefel, zweifellos Größe 45 , lagen immer noch auf dem Schreibtisch. Meine Augen wanderten zu dem kleinen weißen Kiesel, der im Profil des Absatzes steckte. Dann weiter zu der Timex an seinem rechten Handgelenk. Mein linkshändiger Eindringling. Er hatte die ganze Zeit genau vor meiner Nase gesessen.
    Ich war so schockiert, dass ich fast in Panik verfiel. Nur mit Mühe konnte ich einen Aufschrei unterdrücken. Doch dann überwand ich den Schrecken und landete mitten in der eiskalten Wut.
    Ich atmete tief durch, bis mein Herz irgendwann aufhörte zu stolpern und das Prickeln in meinem Gesicht nachließ. Dann riss ich mich zusammen und versuchte zu rekonstruieren, wie es gelaufen war. Diese Männer hatten Ariana entführt und mir eine Blendgranate in den Schoß geworfen. Als sie nur die Ersatz- CD in meinem Auto fanden, schleiften sie mich hierher – wo auch immer ich nun wirklich war –, damit ich ihnen erzählte, wo die echte CD war oder wem ich sie gegeben hatte. Sowie sie begriffen hatten, dass ich niemals reden würde, weil ich Angst hatte, Ariana zu gefährden, hatten sie sie beseitigt, wie sie es die ganze Zeit vorgehabt hatten. Während sie sie erstachen, saß ich eingesperrt in diesem Raum. Womit sie die einzigen zwei Personen waren, die mir ein Alibi geben konnten.
    Hatten sie mir noch ein paar Haare ausgerissen, als ich bewusstlos war, und sie auf Arianas Leiche gelegt? Wer hatte ihr die Klinge in den Hals gestoßen? Wer hatte sie festgehalten?
    Verrone beugte sich zu mir, so dass seine Wange ganz dicht neben meiner war. Seine Hand lag immer noch auf meiner Schulter und rieb sie mit festen, kreisenden Bewegungen. Ganz der besorgte Freund. Ebenfalls Witwer. »Haben Sie die CD noch?«, wiederholte er.
    Es kostete mich alle Mühe, mich ihm nicht zuzuwenden und ihm ein Stück aus der Wange zu beißen.
    »Sie haben gesagt, dass Sie mit uns sprechen würden«, drängte er sanft. »Jetzt haben Sie doch sowieso nichts mehr zu verlieren. Helfen Sie uns, dann können wir diese Wichser endlich fassen.«
    Das Ganze klang wie ein Dialog aus einem Drehbuch. Als mein Blick panisch durch den Raum zuckte, merkte ich, dass das Vernehmungszimmer selbst wie eine Kulisse wirkte. Sie erweckte nur so einen echten Eindruck, weil sie genauso aussah wie sämtliche Polizeistationen, die ich bisher im Fernsehen oder im Kino gesehen hatte. Der große Einwegspiegel, das gleißende Licht, der Schreibtisch, auf dem sich die Akten stapelten – die beiden hatten für mich einen Film inszeniert. Das hieß, ich musste meine Rolle spielen, ohne mir anmerken zu lassen, dass ich ihnen auf die Schliche gekommen war, denn hier stand mein Leben auf dem Spiel.
    Verrone beugte sich noch weiter zu mir vor. »Na? Haben Sie die CD noch?«
    Ich kämpfte meinen Zorn nieder und dachte mir eine Lüge aus. »Ja«, sagte ich.
    »Wo ist sie?«
    Ich blickte zu ihm auf. Sein Atem roch noch nach Mittagessen. An meiner Schläfe spürte ich eine Ader pulsieren. Ich hatte alle Mühe, mir meine Wut nicht anmerken zu lassen, aber andererseits konnte er ja nicht wissen, dass es etwas anderes war als Trauer oder Schock.
    Ich musste mich befreien. Das bedeutete, ich musste die beiden irgendwie dazu bringen, mich noch einmal allein zu lassen.
    Ich bemühte mich redlich, mir einen Dialog auszudenken, der zu diesem Szenario passte. »In der Nähe der Universität, wo ich arbeite, ist eine Seitenstraße«, sagte ich. »Dort haben die Typen, die meine Frau ermordet haben, einen Honda mit einer Tasche voller Bargeld im Kofferraum geparkt. Wissen Sie aus dem Ermittlungsbericht, welche Straße ich meine?«
    »Ja.«
    Das war eine glatte Lüge. Ich hatte der Polizei nie eine genaue Ortsangabe gemacht.
    »Dort verläuft eine Ziegelmauer«, fuhr ich fort. »Ungefähr in der Mitte, so in drei Metern Höhe, ist ein loser Ziegel. Dahinter hab ich die CD versteckt.«
    Er stand rasch auf. »Ich hol sie.«
    »Die Straße ist ziemlich lang. Und Sie müssten auch einen Stuhl oder etwas in der Art mitnehmen, damit Sie so weit oben suchen können. Sie werden furchtbar lange brauchen. Vielleicht sollten Sie mich mitnehmen, damit ich Ihnen das Versteck zeigen kann.«
    Er zögerte. »Ausgeschlossen. Der Chef wird uns niemals erlauben, Sie mitzunehmen. Vor allem in Anbetracht der Nachricht, die Sie gerade erhalten haben.«
    »Okay.

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