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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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Aber so könnte es ganz schön lange dauern. Beeilen Sie sich. Dann können wir die Schweine finden, die meine Frau ermordet haben.«
    Unsere Gesichter waren sich ganz nah, aber mein Blick blieb fest. Während Verrone mein Gesicht studierte, verzog er den Mund, so dass der riesige Schnurrbart raschelte. Seine Augen waren dunkelbraun und undurchdringlich. Wusste er, dass ich es wusste?
    Schließlich stand er auf. »Okay«, sagte er, an den Einwegspiegel gewandt, wer auch immer dahinter sitzen und zuhören mochte. »Ich nehme DeWitt mit, damit wir die Sache schneller hinter uns bringen.« Er blickte zu mir. »Sie bleiben hier. Ein Psychologe ist bereits unterwegs zu Ihnen. Wenn Sie irgendetwas brauchen, kümmern wir uns darum, wenn wir zurück sind.«
    Er ging hinaus und schloss die Tür. Einen Moment später hörte ich eine weitere Tür gehen.
    Ich drückte das Ohr an die Wand. Verkehrsgeräusche. Sicher nicht besonders nah, aber ich war ganz bestimmt nicht im sechsten Stock. Über mir verarbeitete die Klimaanlage die warme Luft und produzierte ein weißes Rauschen, das die Geräusche von draußen erstickte.
    Ich hatte einmal gelesen, dass ein zahmer Elefant mit einem Faden am Bein an einem Pflock festgebunden werden kann – er
glaubt,
dass er gefangen ist, und würde es nie wagen, sich von der Richtigkeit dieser Annahme zu überzeugen.
    Ich zog an meiner Handschelle und testete die Stabilität der Stange, an die ich gefesselt war. Die Bolzen, mit denen sie in der Wand verschraubt war, wirkten beeindruckend massiv. Ich zog die Beine auf die Metallbank, ergriff die Stange mit beiden Händen und manövrierte die Füße umständlich rechts und links an die Wand. Dann lehnte ich mich zurück und stemmte mich mit aller Kraft von der Wand weg. Meine Beine schmerzten, aber tatsächlich gab die Stange nach und brach krachend aus der Wand. Ich fiel haltlos nach hinten und landete hart auf dem Boden. Der Aufprall presste mir den Atem aus den Lungen. Nur mühsam konnte ich wieder Luft holen, und meine Schulterblätter fühlten sich an, als würden sie brennen.
    Doch ich hörte keine Schritte, die sich über den Flur näherten. Und es kam auch niemand aus dem Nebenzimmer geschossen.
    Ich zog die Handschelle von der Stange und stand auf. Die Schrauben waren zwar durch den Putz und einen hölzernen Stützbalken gegangen, aber sie waren nicht in Zement oder Metall verankert, wie es sich gehört hätte. Mit der Stange in der Hand näherte ich mich dem großen Spiegel. Mein Gesicht war wirklich ausgesprochen farbenprächtig. Lila marmoriert auf der rechten Wange. Ein Augenlid blau und geschwollen. Mein Mundwinkel eingerissen und rot. Ein Bluterguss seitlich am Hals.
    Ich lehnte mich näher zum Spiegel und betrachtete den dunklen Fleck in der Mitte des Blutergusses. Ein Einstich. Wie lang hatten sie mich mit Betäubungsmitteln ruhiggestellt?
    Mir fiel wieder ein, wie DeWitt und Verrone sich jedes Mal an ihre Kollegen hinter dem Spiegel gewandt hatten.
Okay, wir haben ihn, danke. Aufnahme läuft?
Nettes Detail. So musste ich glauben, dass ich immer unter Beobachtung stand.
    Ich holte aus und schwang die Stange in den Spiegel. Das Glas regnete auf mich nieder, und ich blinzelte ins Licht.
    Hinter dem Einwegspiegel befand sich kein Raum, sondern nur eine feste Wand. Die Scherben, die daran hängengeblieben waren, zerlegten mein Spiegelbild in lauter kleine Fragmente.
    Ein Faden und ein Pflock im Boden. Eine Metallstange und ein Spiegel.
    Die Tür zum Nebenzimmer war zu, aber unverschlossen. Ich hob die Stange erneut, trat auf den dunklen Flur und tastete nach einem Lichtschalter. Als ich die Deckenlampe eingeschaltet hatte, fiel mir vor Verblüffung die Stange aus der Hand.
    Diese Räumlichkeiten kannte ich.
    Abgesehen von Schreibtisch, Poster und Uhr – die man durch den schmalen Spalt sehen konnte, wenn man wie ich an die Bank gefesselt war –, war das Zimmer fast ganz leer geräumt.
    Als ich das letzte Mal hier gewesen war und von außen hineingespäht hatte, hatte ich DeWitts Schreibtisch gesehen. Er war nur an eine andere Stelle verschoben worden, so dass man ihn vom Vernehmungszimmer aus sehen konnte. Die Jalousien waren heruntergelassen. Links von der Tür lagen nur ein paar ausrangierte Computerkabel herum, ansonsten standen dort ein umgekippter Aktenvernichter und ein großer Kopierer in der Ecke.
    Ein glänzendes Parkticket lag auf dem Boden.
    Diesen Juni müssen Sie Angst haben.
    Diesen Juni können Sie sich nirgends mehr

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