Oder sie stirbt
ansehen, Beweise für meine Unschuld sammeln, mir einen Anwalt besorgen und schließlich verhandeln, unter welchen Bedingungen ich mich der Polizei stellen würde. Der Kolben des Revolvers drückte mir kalt und beruhigend gegen den Bauch. Vielleicht würde es auch noch andere Optionen geben.
Mit der Festplatte des Kopierers in der Tasche und den geschredderten Dokumenten in der Hand stolperte ich die unterste Stufe hinunter und stand direkt vor einer Reinigung. Die Lichter waren gelöscht, nur ein paar in Plastik verpackte Hemden schimmerten auf einem Wäschekarussell wie schlafende Gespenster. Als ich am Glasladen vorbeihastete, ließ mich der Blick in die Geschäftsräume zusammenfahren. Endlose Reihen von Spiegeln, auf hölzernen Regalen und an den Wänden aufgehängt. Zweifellos war der Spiegel, den ich oben zerschlagen hatte, hier gekauft worden, eine schlichte Requisite, ins Büro transportiert von den beiden Laurel-und-Hardy-Arbeitern, die ich bei meinem letzten Besuch hier gesehen hatte. Arianas Worte kamen mir wieder in den Sinn, und beim Gedanken an sie begannen mir wieder die Augen zu brennen:
Eine falsche Schlussfolgerung, ein weißes Taschentuch, ein paar kleine Fingerzeige in die richtige Richtung.
Wie leicht es ihnen doch gelungen war, mich langsam, aber sicher aus der Bahn zu werfen, bis die Welt in meinem Kopf überhaupt nicht mehr mit der realen Welt in Übereinstimmung zu bringen war. Ich legte die Handfläche flach auf das kühle Fenster, und von meinem fliegenden Atem beschlug die Scheibe. Tausend zersplitterte Spiegelbilder starrten mich an, lauter entsetzte Gesichter, verunziert von Blutergüssen.
Erschüttert stolperte ich weiter und ging in das Café. Die Besitzer betrachteten mich mit höflichem Unbehagen, und die Kellner tauschten heimlich Blicke. Ich konnte mir nur vorstellen, was für einen Anblick ich bot.
Das Lokal leerte sich bereits, der Barmann legte seine Flaschen schlafen. Die Uhr oben hatte allerdings erst halb neun gezeigt, als ich gegangen war.
»Wie spät ist es?«, erkundigte ich mich bei einem silberhaarigen Herrn an einem der Tische.
Er warf einen kurzen Blick auf seine schwere Uhr. »Viertel nach elf.«
Sie hatten mich also noch wesentlich länger betäubt, als ich geahnt hatte. Hatten sie noch mehr Zeit gebraucht, um den falschen Vernehmungsraum einzurichten? Oder hatten sie eine günstige Gelegenheit abwarten müssen, bevor sie meinen bewusstlosen Körper über die Feuerleiter nach oben und durch die stählerne Hintertür transportieren konnten? Oder um Ariana nach Fryman Canyon zu verschleppen? Vielleicht hatten sie sie sogar getötet, bevor ich das Bewusstsein wiedererlangte.
Was auch immer auf dieser CD gewesen sein mochte, es konnte unmöglich den Preis wert gewesen sein, den ich für meinen Diebstahl gezahlt hatte.
Mein Kopf war unverändert benebelt von den Medikamenten, die sie mir injiziert hatten. Ich merkte, dass ich immer noch vor dem Tisch stand und auf das Abendessen des Paares starrte. Ich suchte nach Worten. »Welcher … welcher Tag ist heute?«
Die Frau des Mannes legte ihm nervös eine Hand auf den Unterarm, aber er bedachte mich mit einem tröstlichen Lächeln. »Donnerstag.«
»Gut«, murmelte ich und zog mich zurück, wobei ich beinahe mit einem der Hilfskellner zusammengestoßen wäre. »So sollte es auch sein.«
Ich flüchtete mich vor ihren Blicken auf die Toilette, warf das Einweghandy in den Abfalleimer und machte mich frisch, so gut ich eben konnte. Als das Bild von Aris grauem Gesicht vor mir aufblitzte, setzte es bei mir allerdings aus, und ich musste mich festhalten, um nicht zusammenzubrechen. Ich musste mich lange genug zusammenreißen, um hier herauszukommen.
Beim Hinausgehen griff ich mir einen Zwanzigdollarschein, den jemand als Trinkgeld auf einem der Tische liegen gelassen hatte. Von der Garderobe am Ausgang nahm ich mir eine schwarze Windjacke, die ich anzog, während ich mit meiner Tüte auf den Parkwächter zuging. Die Kapuze schützte mich vor dem nassen Wind und verdeckte auch mein ramponiertes Gesicht.
Der junge Mann vom Parkservice sprang diensteifrig von seinem Stuhl auf. Ich deutete auf einen BMW , der vier Plätze entfernt stand, und sagte: »Ich stehe dort.« Ich streckte ihm den Zwanziger hin. »Bleiben Sie ruhig sitzen. Ich hol ihn schon selbst.«
Er warf mir die Schlüssel zu.
[home]
48
I ch bremste scharf am Zaun zu unserem hinteren Garten und ließ den BMW einfach ein Stück vom Bordstein entfernt
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