Oder sie stirbt
Wanderunfall in Alaska, er ist von einer Klippe gestürzt. Ein Enthüllungsjournalist in Chicago hat Selbstmord begangen, aber es gibt da durchaus Zweifel. Solche Sachen eben. Festman ist vor ein paar Jahren ziemlich genau unter die Lupe genommen worden.«
»Sie konnten sich also nicht noch mehr mysteriöse Todesfälle leisten. Zum Beispiel einen Promi, der stirbt, bevor er in einer Doku mitspielen kann, die die schädlichen Auswirkungen ihrer Sonarsysteme aufzeigt.«
»Daher brauchte man jemanden wie Patrick Davis als Sündenbock. Ich meine, wieso sollte irgendjemand den Mord an Keith Conner mit so einer dämlichen Technologiefirma in Verbindung bringen, nach allem, was passiert war? Aber als du am Tatort gestanden und deinen eigenen Scheißgolfschläger geschwungen hast …«
»Ich hab ihn nicht geschwungen.«
»Ist doch egal. Wenn du nicht neben der Leiche gestanden hättest, hätten die Leute vielleicht doch die eine oder andere Frage mehr gestellt, und das hätte für Festman unangenehm werden können.« Sie blies die Wangen auf und atmete kräftig aus. »Ich glaube, man kann mit Sicherheit sagen, dass Ridgeline und Festman schon eine ganze Weile eine fruchtbare Beziehung unterhalten.«
Der Gedanke an das FedEx-Päckchen tröstete mich ein wenig. Diese fruchtbare Beziehung war wohl langsam etwas überbeansprucht. Ridgeline ergriff Maßnahmen, um sich gegen seine Arbeitgeber zu schützen. So furchterregend meine Feinde auch waren, zumindest wusste ich jetzt, wo diese mächtige Verbindung ihre Risse hatte. Wo auch immer diese CD jetzt sein mochte, sie war für uns alle so etwas wie der Heilige Gral.
Ich ließ den Motor an und fuhr langsam los.
»Ich nehme an, dass meine Informationen nützlich für dich sind«, fragte Julianne mit gespielter Bescheidenheit.
»Du bist einfach großartig.«
Im Rückspiegel sah ich sie im hellen Licht neben dem Sandkasten stehen, wie sie sich das Handy ans Ohr drückte und mit der Hand die Augen beschattete. Als ich um die Ecke bog, verschwand ihr Bild, und ich hörte nur noch ihre Stimme.
»Pass gut auf dich auf«, sagte die Stimme. »Du steuerst da in unbekannte Gewässer.«
[home]
50
T ut mir leid, Sir, aber das dürfen Sie nicht.«
Ich kauerte vor dem Kopierer, aus dem ich gerade die Festplatte entfernt hatte. Selbst wenn ich dem Angestellten den Rücken zuwandte, konnte ich die Festplatte von Ridgeline nicht einbauen, ohne dass er es merkte.
Rasch schob ich mir die Festplatte des Kinko’s-Kopierers vorne in den Hosenbund, bevor ich mich umdrehte und die Ridgeline-Festplatte in die Höhe hielt. »Oh, tut mir leid. Irgendwie hat sich da was gestaut. Ich wollte bloß mal schnell nachgucken …«
»Die Festplatte?« Der Kassierer, ein High-School-Schüler mit lockigem Blondschopf und Ohrringen, kaute hektisch auf einem Kaugummi herum. »Das dürfen Sie nicht. Geben Sie mal her.« Er schnappte mir die Ridgeline-Festplatte aus der Hand. Reflexartig hätte ich sie mir am liebsten zurückgeholt, aber er beugte sich schon hinunter und setzte sie in den Kopierer ein. »Hören Sie, wenn Sie hier mit den Geräten rumpfuschen …« Da sah er mich zum ersten Mal genauer an, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich jäh.
Sally und Valentine waren hier gewesen, als sie die Computer überprüften, die ich benutzt hatte, und wahrscheinlich hatten sie dabei mein Bild vorgezeigt. Oder vielleicht erkannte er mich auch einfach aus den Nachrichten. Meine wilden Blutergüsse verstärkten sein Unbehagen noch. Verlegen berührte ich meine Wange mit der Hand.
Er zog sich hastig hinter seinen Tresen zurück und meinte: »Tut mir leid. Lassen Sie sich ruhig Zeit.« Dann tat er so, als würde er sich wieder in seine Lektüre versenken, ein zerfleddertes Exemplar von
Y: The Last Man,
aber heimlich sah er immer wieder zu mir hin.
Bald hatte ich mich durch das Menü bis zum internen Speicher vorgeklickt und drückte auf den Startknopf, um mir alles auszudrucken. Während ich mit den Fingern auf dem Gerät herumtrommelte, spuckte es ein Blatt warmes Papier nach dem anderen aus. Dabei warf ich immer wieder einen Blick über meine Schulter, um sicherzugehen, dass der Junge nicht die Polizei anrief. So kam ich natürlich auch nicht dazu, irgendetwas von den Ausdrucken zu lesen. Zum Schluss hatte ich ungefähr dreißig Seiten. Ich bezahlte mit ein paar zerknitterten Scheinen und lief zurück zum Wagen.
Als ich an Ariana dachte, die völlig schutzlos zu Hause saß, brach mir kurzzeitig der
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