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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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kalte Schweiß aus. Schon nach wenigen Blöcken musste ich rechts ranfahren und sie auf ihrem Prepaidhandy anrufen. Mein Herz klopfte heftig, bis sie abnahm.
    »Bist du noch am Leben?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete sie. »Ach, Moment … Stimmt ja gar nicht, ich lebe noch.«
    »Hängen die Paparazzi immer noch rund ums Haus herum?«
    »Unsere ahnungslosen Schutzengel? Ja, die sind alle da und drücken sich die Nasen an den Fensterscheiben platt.«
    »Ruf mich an, wenn sie wegfahren.«
    »Wenn die wegfahren, schmeißen wir hier eine Party.«
    Ich legte auf und atmete tief durch. Der Stapel mit den Kopien lag schwer auf meinem Schoß. Am Himmel zogen sich Regenwolken zusammen, so dass es verfrüht dunkel wurde. Ich musste die Innenbeleuchtung einschalten, um das oberste Blatt deutlich sehen zu können.
    Mein Gesicht war hinter der Scheibe zwar nicht ganz scharf, aber das Foto zeigte mich, wie ich an unserem Wohnzimmerfenster stand und auf die Straße blickte. Der voyeuristische Touch und meine verzerrten Gesichtszüge verliehen dem kopierten Foto etwas Unwirkliches, und ein Kälteschauer lief mir über die Kopfhaut.
    Auch Keith tauchte auf mehreren Bildern auf. Die eingeblendeten Zeitangaben zeigten, dass die Bilder von den Tagen kurz vor seinem Tod stammten. Ein handschriftliches Verzeichnis enthielt diverse Nummern, die er von zu Hause und vom Handy aus angerufen hatte. Die nächsten Fotos der Überwachungskameras zeigten einen älteren Herrn im Anzug, der aus einer Limousine stieg, vor einem Gebäude aus Glas und Stahl. Auf der Scheibe der Eingangshalle klebte ein elegantes Logo – ein leicht gekipptes N in einem Kreis. Der Mann hatte einen silbergrauen Ziegenbart, und sein ganzes Gebaren ließ auf ein berechtigtes Selbstbewusstsein schließen. Unter seinem Foto die Kopie einer detailliert aufgeschlüsselten Handyrechnung auf den Namen Gordon Kazakov, in der mehrere Nummern unterstrichen waren. War das ebenfalls ein Feind von Festman Gruber? Es folgten weitere körnige Fotos von diversen Männern und Frauen. Ein Mann stand in einem Basislager im Schnee – vielleicht der Umweltaktivist, der von der Klippe »gefallen« war? Vor mir lagen Antworten auf Fragen, die ich noch nicht einmal hatte stellen können.
    Ich blätterte weiter. Flugtickets, Hotelrechnungen, noch mehr Telefonabrechnungen, ein Kontoauszug, auf dem bestimmte Transaktionen eingekreist waren. Schecks und Telegramme. Bestimmten Zahlungen hatte man Namen zugeordnet:
Mikey Peralta, Deborah Vance, Keith Conner.
Und natürlich Patrick Davis. Wie eine Speisekarte, auf der man die Preise für Stalking, Betrug und Mord ablesen konnte.
    Auf der nächsten Seite waren Kopien von vier Überweisungen von jeweils 9990  Dollars zu sehen – alle ganz knapp unter dem Limit von 10 000  Dollar, so dass die Bank nicht per Geldwäschegesetz zu Nachforschungen verpflichtet war. Über jeder Überweisung fand sich der handschriftliche Vermerk »# 1117 «.
    Was zum Teufel sollte das denn bedeuten? Eine Art interner Code? Eine Kontonummer? Und warum waren diese Zahlungen gesondert aufgeführt?
    Mit wachsendem Staunen blätterte ich zur letzten Seite. Ein Bild zeigte Keith tot auf dem Boden des Hotelzimmers. Das Loch in der Stirn, die Blutpfütze in der einen Augenhöhle, der unnatürlich verdrehte Hals – als ich es sah, kehrte mit voller Wucht die Erinnerung an diesen Moment zurück, und ich schnappte nach Luft. Dann sah ich das Bild noch einmal genauer an. In der Verglasung des gerahmten Aquarells war das Blitzlicht zu sehen, und die eingeblendete Zeit lautete 1.53  Uhr.
    Fünf Minuten, bevor mich der Zimmerkellner im Erdgeschoss gesehen hatte.
    Nicht nur, dass ich unmöglich zu dieser Zeit in Conners Zimmer gewesen sein konnte, ich konnte auch das Foto nicht gemacht haben. Ich hatte ganz sicher keine Kamera und keinen Film dabeigehabt, als mich die Polizei vorläufig festnahm.
    Vor Aufregung begannen meine Hände zu zittern.
    Jeder Verdacht gegen mich – widerlegt. Jedes Rätsel – erklärt.
    Bevor DeWitt und Verrone das Büro ausräumten, um es zur Gefängniszelle umzugestalten, hatten sie diese belastenden Dokumente kopiert, wahrscheinlich damit jedes Mitglied des Ridgeline-Teams den kleinen Stapel hatte, um sich gegen zukünftige Drohungen abzusichern. Sie hatten die Überweisungen von Festman Gruber dokumentiert, bis hin zu den Kontonummern. Wenn sie untergingen, würden sie Festman mitreißen. Gegenseitige Zerstörung sozusagen. Aber ich tauchte in

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