Oder sie stirbt
miteinander in Kontakt bleiben konnten. Ihr Telefon ließ ich in der Küche. Dann atmete ich tief durch, ging noch einmal zu ihr, küsste sie auf den Kopf und steuerte auf den Hinterausgang zu.
Ohne von ihrer Sortierarbeit aufzublicken, sagte sie: »Die sind auch schon dahinten. Stalkerazzi. Dolby-Surround-Belagerung sozusagen.«
»Kannst du nicht vorm Haus ein bisschen für Verwirrung sorgen? Damit sie alle zu dir rennen?«
»Okay«, meinte sie. »Ich zeig ihnen kurz meine Brüste. Wie damals in der Studentenverbindung.«
»Du warst doch nie in einer.«
»Stimmt, aber ich hatte immer das Gefühl, dass mir da was entgangen ist.« Sie stand auf und klopfte sich ein paar hartnäckige Papierschnipsel von den Händen. Im goldenen Morgenlicht sah ich, dass ihre Finger zitterten. Erst jetzt begriff ich, dass ihr Ton weniger lässig als trotzig war. Auch sie hatte Angst vor dem, was gerade auf uns zurollte. Sie sah, dass ich sie beobachtete, und schob die Hände in die Taschen.
Dann atmete sie tief ein und hielt die Luft an. »Gestern Nacht war für uns nicht das Ende, sondern der Anfang«, sagte sie schließlich. »Also sei vorsichtig, verdammt noch mal.«
Der Spielplatz, ein grünes Fleckchen zwischen all den Straßenkreuzungen, hatte alles, was für Beverly Hills typisch ist. Picknickmahlzeiten aus dem Restaurant mit sprudelnder französischer Limonade. Hochglanzpolierte teure Klettergerüste. Ein einsamer Fernsehstar mit einer Sonnenbrille von den Ausmaßen einer Windschutzscheibe und einer Yankees-Mütze schleppte ein Baby herum und rang sich ab und zu einen Moment geheucheltes Interesse ab. Schöne zweite Ehefrauen beschäftigten sich mit neugeborenen Babys, die ihren hässlichen Vätern ähnelten. Letztere wiederum – mit rückläufigem Haar- und zunehmendem Bauchansatz – entfernten sich mit aggressivem Desinteresse von Sandkasten und Betonschildkröten, drückten auf ihren iPhones herum und kläfften in ihre Freisprechhandys. Die Mütter standen zusammen und plauderten, während sich die Ehemänner in ihren auf dem Rodeo Drive erstandenen Seidenhemden absonderten wie einsame Lehnsherren. In ihren Triefaugen stand deutlich zu lesen, wie sehr sie ihre Kaufentscheidung bereuten, aber nicht deutlich genug, um die Oberflächenspannung auf den gelifteten Gesichtern ihrer Gattinnen zu durchdringen, die ihre Selbstzufriedenheit mit tiefgefrorenen Mienen zur Schau trugen.
Julianne hatte den Park wohl ausgesucht, weil hier jeder berühmt war, oder zumindest hielt sich jeder dafür. Sich vorzustellen, war hier nicht angesagt – entweder wussten sie, wer man war, oder man war es nicht wert, kennengelernt zu werden. Patrick Davis in seiner neuen Verrufenheit und seinem Red-Sox-Baseballkäppi würde hier schon ohne schiefe Blicke durchgehen.
Julianne drückte sich bei den Schaukeln herum wie eine altjüngferliche Tante, die beim Familientreffen nicht recht weiß, wem sie sich anschließen soll. Ich parkte mein geklautes Auto, den BMW mit den glücklicherweise getönten Scheiben, und wollte gerade aussteigen, als meine Hand am Türgriff erstarrte. Plötzlich überkam mich eine richtiggehende Paranoia. Ich blickte die Straße hinunter, um die Autos und die Passanten zu mustern, dann blieb ich einfach, wo ich war, und wählte ihre Nummer.
»Wo bist du?«, fragte sie, nachdem ich ihr meine Befürchtungen auseinandergesetzt hatte.
»Auf neun Uhr, von dir aus gesehen. Umdrehen. Umdrehen. Hier.«
»In dem BMW ?«
»Genau.«
»Flotter Schlitten, Coolio. Wirst du mir erklären, wie du zu dem gekommen bist?«
»Das würde jetzt zu lange dauern. Wenn ich das alles überlebe, schulde ich dir eine lange, lange Geschichte.«
»Du schuldest mir noch viel mehr. Ich hab mit meinem Kontakt bei der
Washington Post
gesprochen. Einer seiner Kollegen hat sich auf diese Art von Enthüllungen spezialisiert, seit Clinton 1995 das Auslieferungsgesetz unterschrieben hat.«
»Moment mal – was meinst du mit ›dieser Art von Enthüllungen‹?«
»Ridgeline hat seinen Hauptsitz in Bahrain.« Sie machte eine Pause und interpretierte mein Schweigen richtig. »Ich weiß. Da ›Ridgeline‹ sich nicht gerade nach einer arabischen Firma anhört, nehme ich an, dass es eigentlich ein westliches Unternehmen ist, das seine Machenschaften durch einen Sitz im Ausland besser geheim halten kann. Sie sind spezialisiert auf internationalen Personenschutz.«
Auf einmal kam es mir im Wagen viel zu warm vor. Ich zupfte an meinem T-Shirt, um mir
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