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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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zusammengeknülltes Stück Alufolie in einem leeren Joghurtbecher.
    Ich lief in die Küche. Der Müll entsprach in Zusammensetzung und Anordnung haargenau dem Bild auf dem Fernseher. Ganz obenauf lagen immer noch die Cornflakesschachtel und der Joghurtbecher.
    Dieser Tag war ein Dienstag – Ariana hatte Überstunden gemacht, wie immer, und sich wahrscheinlich Essen ins Büro liefern lassen, also hatte sie seit dem Vortag auch nichts mehr weggeworfen. Ich warf einen Blick in die Kaffeemaschine und fand den Filter mit dem feuchten Kaffeesatz von diesem Morgen.
    Die Aufnahme auf der dritten DVD war demnach in der vorigen Nacht gemacht worden. Also noch vor der zweiten, auf welcher ich wiederum zu sehen war, wie ich meine Umgebung anhand der Bilder der ersten DVD überprüfte. Eine ziemlich sorgfältige Planung, wie ich fast mit Bewunderung zugeben musste.
    Ich probierte die Hintertür. Abgeschlossen. Ariana musste sich am Morgen darum gekümmert haben. Von nun an würde sie mich definitiv nie mehr daran erinnern müssen, den Riegel vorzulegen. Ich fasste die DVD mit einem Taschentuch an und steckte sie in eine leere Hülle.
    Juliannes nikotinlastiger Kommentar im Dozentenzimmer fiel mir wieder ein. Hier ging es keinesfalls um bloße Schikane. Drei DVDs dieser Machart in weniger als achtzehn Stunden waren eine Drohung, und sie machte mir wirklich Angst. Aber irgendwie war ich auch wütend. Es schien mir ziemlich sicher, dass das – wie Marcello in seinen Trailern immer so schön verkündete – erst der Anfang war. Ich würde es Ariana erzählen müssen, das stand fest. So ungut unsere Beziehung ansonsten auch sein mochte, wir hatten uns doch immer daran gehalten, völlig offen miteinander zu reden. Doch zuerst wollte ich ganz sichergehen, dass Don die falsche Fährte war.
    Ich ging hinaus und über den Gehweg zum Haus links neben unserem. Die Nacht war frisch, und von der klaren Luft und meiner bizarren Mission war mir fast ein wenig schwindlig. Nur ein kleiner Besuch bei den Nachbarn.
    Ein Bus ratterte unangenehm dicht an mir vorbei, ein Riesenvieh mit quietschenden Gelenken. Auf der Seite prangte eine enorm große Anzeige für
They’re Watching,
diesen Sommer in einem Kino in Ihrer Nähe. Eine Gestalt in einem Regenmantel, die man durch den Regen von Manhattan nur verschwommen erkennen konnte, lief die Treppe zu einer U-Bahn-Station hinunter. Sie hatte eine Aktentasche unterm Arm und schaute panisch bis paranoid über ihre Schulter. Ich sprang rasch beiseite und rettete mich auf den Gehweg. Das wäre nun wirklich die denkbar lächerlichste Todesart.
    Die Türglocke der Millers klang ungewöhnlich laut. Ich trat von einem Fuß auf den anderen und bemühte mich um Fassung – meine frische Angst, die Nachtluft, meine Nähe zum Nachbarhaus, das alles setzte mir ganz schön zu. Drinnen ging ein Licht an. Schlurfende Schritte, leises Grummeln, dann erschien Martinique in der Tür. Dons schöne, leidende Frau mit dem künstlich auf L.A. getrimmten Namen. Das Fleisch an der Rückseite ihrer Oberarme war schlaff, man sah ihr an, dass sie fast fünfzehn Kilo verloren hatte. Ihre Taille sah so schmal aus, als würde sie durch einen Serviettenhalter passen. Die halbmondförmigen Dehnungsstreifen rund um ihren Bauchnabel sahen aus wie die Comic-Zeichnung einer Explosion. Die Male waren verblasst, durch Mikrodermabrasion so unauffällig geworden, dass sie nur noch weich und weiblich wirkten. Selbst aus dem Schlaf gerissen sah sie noch tadellos aus – das Haar gebürstet und glänzend, das burgunderrote Oberteil passend zur Satinschlafanzughose. Sie war so korrekt und kompetent, dass es einen schier fertigmachen konnte – ihre Glückwunschkarten waren politisch korrekt, am Morgen nach unseren unregelmäßig stattfindenden Partys rief sie immer an, um sich noch einmal für die Einladung zu bedanken, und ihre Geburtstagsgeschenke waren immer perfekt verpackt, mit geschmackvollen Dekorationen aus Zweigen und Bast.
    »Patrick.« Sie sah sich argwöhnisch um. »Ich hoffe, du willst nichts tun, was dir später leidtun würde.« Ihr ganz leichter Akzent verriet, dass sie nicht aus Persien, sondern aus Mittelamerika stammte.
    »Nein. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich bin nur gekommen, weil ich Don etwas fragen muss.«
    »Ich glaube, das ist keine gute Idee. Vor allem nicht jetzt. Er ist heute Morgen mit dem Flieger zurückgekommen und total erschöpft.«
    »Wo ist er denn gewesen?«
    »In Des Moines. Dienstlich.

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