Oder sie stirbt
Glaub ich zumindest.«
»Wie lang war er weg?«
Sie runzelte die Stirn. »Zwei Nächte. Warum – ist sie auch verreist?«
»Nein, nein.« Ich musste mir Mühe geben, meine Ungeduld zu verbergen.
»Na ja, wer einmal lügt … du weißt schon. Wieso sollte ich ihm jetzt abnehmen, dass er nach Iowa geflogen ist?«
Sie stand so nah vor mir, dass ich ihren Atem auf dem Gesicht spürte. Er roch leicht minzig nach Zahnpasta. Ich fand es seltsam, einer Frau so nah zu sein, dass ich ihren Atem riechen konnte, und das führte mir nur wieder vor Augen, wie lange Ariana und ich jetzt schon auf Distanz lebten. »Es ist schwierig, stimmt’s?«, sagte sie. »Sie werden das nie begreifen. Wir beide waren hier die Opfer.«
Bei dem Wort »Opfer« zuckte ich leicht zusammen, aber ich schwieg. Ich überlegte vielmehr, wie ich eine elegante Möglichkeit finden könnte, doch noch mit Don zu sprechen.
»Tut mir leid, Patrick. Mir wäre es auch lieber, wenn wir uns jetzt nicht alle hassen müssten.« Sie hob resigniert die Arme, und ich sah die perfekt lackierten Fingernägel. Wir umarmten uns. Sie roch wundervoll – ein Hauch von Parfum, eine feminine Seife, ein wenig Schweiß und Feuchtigkeitscreme. Als ich so dastand und sie, eine Frau, umarmte, richtig fest umarmte, stieg eine ganze Flut von Gefühlen in mir auf – nicht unbedingt Erinnerungen, aber Eindrücke. Momentaufnahmen von meiner eigenen Frau, aus einer anderen Zeit. Martinique hatte festere Muskeln als Ariana, sie fühlte sich kompakter an. Nachdem ich ihr den Rücken leicht getätschelt hatte, ließ ich wieder los, doch sie hielt mich noch eine Sekunde länger fest. Sie versuchte, ihr Gesicht zu verbergen.
Ich zog mich zurück. Sie wischte sich die Nase ab und sah sich verlegen um. »Als Don und ich geheiratet haben, war ich schön.«
»Martinique. Du
bist
schön.«
»Du brauchst das nicht zu sagen.«
Ich wusste aus Erfahrung, dass man diesen Kampf mit ihr nicht gewinnen konnte. Unwillkürlich trommelte ich mir mit den Fingern auf den Oberarm.
»Nur weil ihr Männer uns ausschließlich nach unserem Aussehen beurteilt, glaubt ihr, dass das auch alles ist, was wir selbst an uns schätzen. Und das Miese daran ist, dass ihr auch noch so oft recht habt.« Sie schüttelte den Kopf und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Nach der Hochzeit habe ich so zugenommen. Ich finde das grässlich. Meine Mutter ist so dick, und meine Schwester …« Sie fuhr sich mit der Fingerspitze über die Lider. »Und dann hat Don jedes Interesse an mir verloren. Er hat den Respekt verloren. Und mittlerweile hab ich es auch kapiert: Sobald der einmal verloren ist, ist es vorbei.«
»Wirklich?«
Sie sah mich ängstlich an. »Glaubst du nicht?«
»Ich hoffe nicht.«
Und dann stand er plötzlich hinter ihr und band sich nervös den Gürtel um den Morgenmantel. Ich sah, dass sein nackter Oberkörper ziemlich breit war, mit graumeliertem Brusthaar. Instinktiv spannten sich meine Rückenmuskeln an, als müsste ich in Verteidigungsstellung gehen. Auf einmal lag eine gewisse Spannung in der Luft.
»Martinique«, sagte er mit fester Stimme, und sie zog sich zurück, nicht ohne mir noch einen Blick über die Schulter zuzuwerfen. Er wartete, bis die Schlafzimmertür zugegangen war, dann senkte er den gutaussehenden Kopf auf dem dicken Hals und warf einen raschen Blick auf meine Hände. »Was willst du, Patrick?«
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich weiß, dass du gerade erst von einer Reise zurückgekommen bist.« Ich musterte ihn auf der Suche nach irgendeinem Hinweis, dass er gar nicht fort gewesen, sondern stattdessen wie ein perverser Santa Claus mit dem Camcorder über die Dächer geschlichen war. »Irgendjemand hat unser Haus beobachtet. Hast du etwas gesehen?«
»Wie – beobachtet?« Er sah mich aufrichtig verwirrt an. »Woher weißt du das?«
Ich hielt die unbeschriftete DVD in die Höhe. »Man hat mir das hier geschickt. Und aufgenommen wurde das Ganze offensichtlich von deinem Dach aus. Hattest du in letzter Zeit irgendwelche Handwerker im Haus oder so?«
»Patrick, langsam mach ich mir wirklich Sorgen.« Er legte seine massive Hand an die Tür, damit er sie schnell zuschlagen konnte, für den Fall, dass ich auf ihn losging.
»Können wir den Teil bitte überspringen?«, erwiderte ich. »Wir kennen das Drehbuch in- und auswendig. Du drückst die Knöpfe, und ich soll bitte schön reagieren.«
»Ich drücke keine Knöpfe, aber wie es aussieht, reagierst
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