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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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der bestätigen kann, dass sie – wer auch immer
sie
sein mögen – wirklich existieren?«, fragte Valentine.
    Ich schlug mir mit der Hand vor die Stirn. »Elisabeta hat eine Mail bekommen, in der stand, dass ihr jemand mit einem Red- Sox-Käppi einen Besuch abstatten würde. Eine Mail ist natürlich nicht viel. Aber … warten Sie mal. Doug Beeman. Den haben sie ja auch heimlich gefilmt. Er hat auch DVD s bekommen.«
    »Man könnte argumentieren, dass
Sie
ihn aufgenommen haben.«
    »Er hat die schon seit Monaten gekriegt. Wir könnten die Zeitpläne nebeneinanderlegen und beweisen, dass die Aufnahmen nicht von mir sein können. Außerdem hat er immer noch die Bilder von diesem High-School-Keller.«
    »Geben Sie uns seine Adresse.«
    Ich kritzelte sie rasch auf ihren Block.
    »So, und Sie sehen jetzt zu, dass Sie einen klaren Kopf kriegen, die letzten neun Tage Minute für Minute noch einmal durchgehen und an alles denken, was uns irgendwie von Nutzen sein könnte. Und das am besten ziemlich schnell.« Sie riss den Zettel mit der Adresse heraus. »In der Zwischenzeit fahren wir zu Beeman.«
    »Er wird meine Geschichte bestätigen.«
    »Das würde ich an Ihrer Stelle auch hoffen«, meinte Valentine und ging hinaus.
    Ich blieb eine ganze Weile zitternd sitzen und starrte auf den stumm geschalteten Fernseher. Farbe und Bewegung. Formen. Auf die Soap folgte ein Werbespot für einen neuen Rasierer mit fünf Klingen, was für mein betäubtes Hirn so klang, als wären es vier zu viel. Ich kniff die Augen zu und versuchte, im Geiste noch einmal alles zu durchleben, was mir in den vergangenen Tagen passiert war seit meinem ersten Schritt auf die Veranda an diesem kalten Dienstagmorgen. Doch meine Gedanken schweiften ständig ab. Das Gefängnis. Meine Ehe. Die Überreste meines guten Rufes.
    Ich ging zur Tür. Davor stand ein Wachmann an die Wand gelehnt und blätterte in einer Zeitschrift. Nicht überraschend. Er blickte auf und sah mich an. Ich machte einen Schritt auf den Flur, und er machte einen Schritt von der Wand weg. Ich ging einen Schritt zurück, und er lehnte sich wieder gegen die Wand.
    »Okay«, sagte ich, schloss die Tür und kehrte mit wackligen Knien zu meinem Stuhl zurück.
    Elisabeta war gerade im Fernsehen.
    Ja, das war sie. Sie saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem weißen Sofa, und hinter ihr blähten sich Gardinen im Wind.
    Einen Moment kam mein Gehirn nicht richtig mit der Verarbeitung hinterher. Hatten die Reporter irgendwie herausgefunden, dass sie mit mir in Verbindung stand? So schnell?
    Aber nein, da lief ja Werbung über den Bildschirm. Ich stand auf, machte ein paar unsichere Schritte auf den Fernseher zu und drehte die Lautstärke hoch.
    »… Ballaststoffdrink, der für eine geregelte Verdauung sorgt
und
das Risiko für Herzerkrankungen senkt«, sagte Elisabeta.
    Akzentfrei. Es war bestürzend und verblüffend, als hätte ich ein Interview eingeschaltet, in dem Antonio Banderas jamaikanisches Patois sprach.
    Sie hatte einen kanariengelben Pullover um die Schultern gelegt und spazierte jetzt lächelnd über einen Grashügel. Eine schnurrige Stimme verkündete: »Fiberestore. Für eine gesunde Verdauung. Und ein gesundes Leben.«
    Ein Lächeln in Nahaufnahme. Dieses Gesicht, die leicht gebogene Nase, dieses Allerweltsgesicht – wenn ihr ein Ballaststoffdrink guttat, dann musste er dem Zuschauer doch bestimmt auch guttun.
    Meine Lungen brannten, denn ich hatte völlig vergessen, weiterzuatmen.
    Elisabeta. In einem Werbespot. Mit einer Aussprache, als käme sie direkt aus Columbus, Ohio.
    Eine Schauspielerin, die man angeheuert hatte, um eine Rolle zu spielen.
    Was wiederum bedeutete, dass Doug Beeman, meine letzte Hoffnung, wahrscheinlich auch nicht mehr meine letzte Hoffnung war. Ich dachte an Sally und Valentine, wie sie gerade zur angegebenen Wohnung fuhren. Vergebliche Liebesmüh.
    Völlig benommen trat ich zurück und setzte mich, doch ich erwischte nur den vordersten Rand der Sitzfläche und landete auf dem Boden. Der Stuhl kippte um. Obwohl schon lange wieder die Soap lief, konnte ich meinen Blick immer noch nicht vom Bildschirm lösen.
    Da wurde die Tür aufgerissen, und Kent Gable trat mit einer kleinen Gefolgschaft aus Männern in Anzügen ein. Halfter zeichneten sich unter Sakkos ab, Dienstausweise glänzten an Gürteln. Morddezernat bis in die letzte Faser, bis hin zum selbstbewussten Gang in ihren Halbschuhen. Gable legte den Kopf schräg und sah zu mir hinunter.

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