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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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auseinandernehmen. Und zwar in den nächsten zwanzig Minuten, bevor wir die Innenstadt erreichten und ich im Männergefängnis von L.A. verschwand.
     
    Ein tätowierter Riese im orangefarbenen Overall, dessen Handschellen an einer Kette befestigt waren, die er um den Bauch trug, stand am Ende des Korridors. Rechts und links von ihm standen Wachmänner, und ich fragte mich, wie wir an den dreien vorbeikommen sollten. Gable fasste meinen Arm noch etwas fester und schob mich weiter. Als wir näher kamen, täuschte der Riese einen Kopfstoß an, und ich taumelte erschrocken zurück. Das Echo seines Gelächters war noch zu hören, als wir schon um die Ecke gebogen waren.
    Wir gingen in den Raum, in dem die Aufnahmeformalitäten erledigt wurden – ein paar Schreibtische, eine Kamera für die Verbrecherfotos samt Hintergrund, Metallbänke, die im Zementboden verschraubt waren. Ein paar Deputys saßen gelangweilt herum und verzehrten ihr Taco-Bell-Menü, während sie Papiere ausfüllten. Ein winziger Fernseher zeigte ein Bild von mir in einem Jackett, das ich nach dem Verkauf des Drehbuchs auf Drängen meiner Agentin für meine Gewerbeanmeldung hatte machen lassen. Ich sah aus wie jeder andere Armleuchter, der überzeugt ist, dass ihn nichts mehr aufhalten kann auf seinem Weg nach oben.
    Ein Deputy mit Hängebacken sah hoch. »Aha, der Keith-Conner-Typ. Können wir gleich Fingerabdrücke nehmen?«
    »Meine sind schon im System«, erklärte ich.
    »Prima. Dann werden sie ja übereinstimmen. Es gehört zur Standardprozedur, dass hier noch mal Abdrücke genommen werden.«
    Mein Herz schlug immer noch heftig nach dem Schrecken im Korridor. Ich nickte, und der Mann nahm fachmännisch meine Fingerabdrücke, während Gable und sein Partner mit den anderen über eine Krimi-Serie von Keith und die darin vorkommenden Fehler redeten. Der Deputy bewegte meine Finger mit seinen dicken Händen mal hierhin, mal dorthin. Er sprach nicht mit mir. Er sah mir nicht in die Augen. Ich hätte genauso gut eine Puppe sein können. Meine wenigen Besitztümer lagen in einer Plastikwanne, aber immerhin hatte ich noch meine eigenen Sachen an. Im Moment kam mir das vor wie der größtmögliche Trost.
    Als der Deputy fertig war, sagte ich: »Ich würde gern jemanden anrufen.« Sie starrten mich ausdruckslos an. »Ich darf doch einen Anruf machen, oder?«
    Der Deputy deutete auf ein Münztelefon an der Wand.
    »Ich möchte meinen Anwalt anrufen. Könnte ich bitte einen privaten Apparat haben?«, bat ich.
    »Sollen wir Ihnen auch noch ein Medium besorgen, damit Sie mit Johnnie Cochran kommunizieren können?«, spottete Gables Partner.
    Vereinzeltes Gelächter. Gable führte mich um die Ecke in ein Besuchszimmer mit einer halbhohen Plexiglaswand, unter der ein Fach zum Durchreichen von Papieren ausgespart war. Kein Anwalt hinter dem Fenster, nur ein altmodisches schwarzes Telefon auf meiner Seite des abgenutzten hölzernen Simses.
    »Haben Sie bereits einen Strafverteidiger?«, fragte Gable. »Ich muss schon sagen, Sie planen voraus.«
    »Nein, ich rufe meinen ganz normalen Anwalt an, damit er mir jemanden empfiehlt. Trotzdem – dieses Gespräch ist privat.«
    »Sie haben fünf Minuten.« Er ließ mich allein.
    Ich nahm den Hörer ab und wählte die Null. Als sich die Telefonzentrale des Gefängnisses meldete, bat ich den Mann, mich mit dem Präsidium L.A. West zu verbinden. Nach ein paar Sekunden war der diensthabende Beamte am Apparat.
    »Hallo, hier ist Patrick Davis. Ich muss sofort mit Detective Sally Richards sprechen. Können Sie mich irgendwie auf ihr Handy durchstellen?«
    »Ich … Was? Moment mal, sind Sie
der
Patrick Davis? Haben wir Sie nicht gerade festgenommen?«
    »Jawohl.«
    »Von wo aus rufen Sie an?«
    »Aus dem Zentralen Männergefängnis von Los Angeles.«
    »Verstehe. Bleiben Sie dran, ich seh zu, was ich tun kann.«
    Ich wartete in der rauschenden Leitung. Die Tinte war nicht ganz abgegangen, und die blaue Farbe klebte mir immer noch an den Fingerspitzen. Als ich das Plexiglas berührte, hinterließ ich schwache Farbspuren.
    »Patrick?«, meldete sich Sally.
    »Ja, ich …«
    »Wir sind von dem Fall abgezogen worden. Ich kann nicht mit Ihnen sprechen, jedenfalls nicht so. Sie wissen doch, dass die Münztelefone abgehört werden.«
    »Ich hab behauptet, dass ich meinen Anwalt anrufe, deswegen haben sie mir einen Apparat in einem Besuchszimmer zur Verfügung gestellt. Also kein Problem.«
    »Aha.« Sie wirkte überrascht.
    »Sind

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