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Odice

Odice

Titel: Odice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anais Goutier
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seitdem schlägt das Herz meines Vaters für die Poesie. Er verfasst Polemiken und Poeme.«
    Juliens himmelblaue Augen fixierten sie so aufmerksam und blitzten dabei so begeistert, dass Odice tatsächlich das Gefühl hatte, es gäbe für ihn nichts Wichtigeres und Spannenderes auf der Welt als ihre Lebensgeschichte. Alles Eis, das diese herrlichen Augen oft so berechnend kühl erscheinen ließ, schien in diesem Moment geschmolzen zu sein.
    »Wo bist du groß geworden?«
    »In einer Altbauwohnung in der Rue de Condé. Aber die Sommerferien habe ich immer bei meiner Oma in Saint-Martin-d’Ardèche verbracht. Es war himmlisch dort. Das kleine Bauernhaus, der Fluss, die gigantische Schlucht, der Duft der Lavendelfelder, damit verbinde ich meine schönsten Kindheitserinnerungen.«
    »Das klingt wirklich wundervoll.« Sein Blick war wehmütig.
    Odice nippte an ihrem Kaffee.
    »Dort hast du von dem Martinet gehört?«
    Odice zuckte zusammen. Dieses Gespräch hier im Café und die Erinnerung an den vorangegangenen Vormittag passten nicht zusammen. Sie wollte das nicht zusammen denken.
    »Ja. Er hing immer wie zur Zierde an der Wand neben der Tür«, erklärte sie knapp und reserviert.
    »Was wäre eigentlich, wenn ich dir all diese Fragen stellen würde? Würdest du mir auch so bereitwillig Rede und Antwort stehen?«
    Und da war es auch schon wieder vorbei mit der Schneeschmelze in seinem Blick.
    »Nein. Nicht, solange du meine Klientin bist.«
    »Aber anschließend werden wir uns nicht wiedersehen.«
    »Nein. So lautet die Vereinbarung.«
    Der Rückweg zum Auto verlief relativ schweigsam. Dennoch hatte sich Odice bei Julien eingehakt und er führte sie auf ihren Louboutins sicher über das Kopfsteinpflaster und den Sandsteinschotter von Blois. Wieder hielt er ihr die Tür auf und als er den Wagen startete, sang Lou Reed Perfect Day . Auf der Strecke von Blois nach Tours setzte bereits die Dämmerung ein.
    »Machen Sie diese Ausflüge immer mit Ihren Klientinnen, um ihnen zu demonstrieren, dass Sie auch eine andere Seite haben, mon seigneur ?«
    Um Juliens sinnlichen Mund spielte ein harter Zug. »Hier nicht, Odice. Nenn mich bitte Julien. Und um deine Frage zu beantworten: Nein, du bist die erste, mit der ich während ihres Aufenthalts bei uns das Anwesen verlassen habe.«
    Dann schwiegen sie wieder und Julien dachte an ihre Vorgängerinnen. Sie alle hatten ziemlich genau gewusst, worauf sie sich einließen und entweder brachten sie schon entsprechende Erfahrungen mit oder der Traum von der vollkommenen sexuellen Unterwerfung beherrschte schon seit Langem ihre Phantasie. Odice war ganz anders. Sie war keine Sklavin, auch nicht irgendwo in ihrem Inneren. Sie war eine Frau, die bereit war, Risiken einzugehen und Experimente zu wagen, aber vor allem war sie eine ganz und gar sinnliche Frau mit einer gesunden, lustvollen Sexualität, die ihren Körper liebte und seine Bedürfnisse kannte und die keine Schmerzen und keine Demütigungen brauchte, um Befriedigung zu finden.
    Es war ihm ein Rätsel, was sie sich von diesem Abenteuer versprach und irgendwie hätte er sie jetzt lieber in ihre Pariser Stadtwohnung gebracht, als sie wieder mit zum Château de Lautréamont zu nehmen.

    Diesmal aßen sie nicht im feudalen Speisezimmer, sondern in der großzügigen Wohnküche des Schlosses. Neben dem hochmodernen Gastronomie-Küchenblock aus Edelstahl und Schiefer hatten tatsächlich auch einige Antiquitäten aus dem letzten Jahrhundert die Modernisierung dieses Raumes überlebt. Da waren zum einen der alte Kohleherd, der Odice an ein überdimensioniertes Puppenstuben-Möbel erinnerte und zum anderen die wundervollen Küchenutensilien aus hochglanzpoliertem Kupfer, die an schmiedeeisernen Haken verteilt an der Wand hingen.
    Julien und Odice nahmen an dem rustikalen Weichholz-Tisch mit den gedrechselten Beinen Platz und Sada servierte eine duftende Zwiebelsuppe direkt aus dem Topf, dazu reichte sie Baguette und stellte ihnen eine Flasche süffigen Küchenwein auf den Tisch.
    »Ich hoffe, es stört dich nicht, so unprätentiös mit mir zu dinieren. Eric ist ein Freund der Haute cuisine und ein Verfechter standesgemäßer Tischkultur. Ich hingegen mag es lieber legerer.«
    Er grinste jungenhaft.
    Odice brach sich ein Stück von der Baguette-Stange ab.
    »Ich liebe einfache Küche. Und ich finde es hier sehr viel netter als drüben, wo man einander anschreien muss, um sich über den Tisch hinweg unterhalten zu können.«
    Julien prostete ihr

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