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Odice

Odice

Titel: Odice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anais Goutier
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ohne Slip, doch auf alle Fälle weitaus besser als das, was sie vorher hatte ertragen müssen.
    Sie bummelten noch durch ein paar Geschäfte in der Rue de Commerce und Julien kaufte ihr Pralinen bei La Bôite aux Chocolats , ehe sie auf dem Rückweg zum Auto durch die Rue Saint-Lubin mit ihren diversen Antiquitätengeschäften und Antiquariaten kamen. Sie spazierten an den Schaufenstern entlang, stöberten in den Bücherkörben vor den Geschäftseingängen und ließen sich von den niedlichsten und charmantesten Geschäften zur Einkehr verführen.
    In einem Kunstbuch-Antiquariat stieß Odice auf einen Bildband der surrealistischen Fotografin Denise Bellon. Sie blätterte in der großformatigen Publikation, als Julien sich zu ihr gesellte und ihr über die Schulter schaute.
    »Bellon«, sagte er. »Ich mag ihre Arbeit. Besonders die Fotoportraits von Simone de Beauvoir, André Masson und Henri Langlois sind großartig. Und die Dokumentarfotografien von der Exposition Internationale du Surréalisme 1938 in der Galerie Beaux-Arts sind ganz großes Kino.«
    Odice hob erstaunt beide Augenbrauen und nickte. »Ja, ich bin ganz deiner Meinung. Die Aufnahmen von den Gliederpuppen und von Dalís Taxi Pluvieux sind berühmter als die Arbeiten selbst und haben sich in das kollektive Kulturgedächtnis eingeschrieben.«
    Doch dann fiel Odice’ Blick auf eine seltene Erstausgabe von Alice Rahons Gedichtband À même la terre aus dem Jahr 1936, die unter Glas aufbewahrt wurde. Es handelte sich um ein streng limitiertes Künstlerbuch mit einem Frontispiz von Yves Tanguy. Leider überstieg das nummerierte und signierte Sammlerstück ihr Bücher-Budget bei weitem und so ließ Odice nur noch einmal wehmütig ihre Hand über die Glasabdeckung gleiten, ehe sie den kleinen Laden verließen.
    »Was hältst du von einer Tasse Kaffee, ehe wir uns auf den Heimweg machen?« fragte Julien.
    »Gern.« Ein starker, belebender Kaffee war genau das, wonach Odice’ Körper jetzt verlangte.
    Julien führte sie zu einem reizenden kleinen Café am Place Victor-Hugo.
    Diesmal bestimmte er nicht über ihren Kopf hinweg, sondern ließ sie ihre Wahl selbst treffen. Odice entschied sich für einen Café double und ein Stück von der köstlichen Zitronentarte, die so verheißungsvoll auf dem Tresen gestanden hatte.
    »Erzähl mir etwas von dir, Odice«, bat Julien und schaute sie mit seinen schillernden blauen Augen erwartungsvoll an.
    Sie lächelte entspannt. »Was willst du denn wissen?«
    Julien zuckte mit den Achseln. »Alles. Wie du aufgewachsen bist, wie du zu deiner Familie stehst, was du gern tust, welche Filme, Bücher, Künstler und Musiker du magst. Ich bin für jeden Brotsamen dankbar, den du mir zuwirfst.«
    Odice musste grinsen. »Du und dankbar für meine biografischen Almosen?«
    Sie hatte sein ironisch-überhebliches Lächeln erwartet, doch er nickte ernst.
    » Open up your heart to me, show me who you are and I would be your slave. «
    »Bowie?« Sie schüttelte lachend den Kopf. »Wenn ein Zitat ganz bestimmt nicht zu dir passt, ist es wohl dieses.«
    »Aber ich weiß nun zumindest schon einmal, wessen Liedtexte du auswendig kennst.«
    Da war es wieder, dieses gewinnende Lächeln.
    »iPod oder CD?«
    »Schallplatten.«
    Er zog eine Augenbraue hoch, doch es wirkte eher anerkennend als überheblich.
    »Weiter: Richten sich deine Lieblingsfilme nach Schauspielern oder Regisseuren?«
    »Meist nach Regisseuren. Wird das ein Verhör?«
    »Eher ein Frage-Antwort-Spiel. Nouvelle Vague oder Film Noir?«
    »Nouvelle Vague.«
    »Truffaut oder Chabrol?«
    »Godard.«
    Julien grinste.
    »Kino oder Theater?«
    Odice überlegte einen Augenblick. »Das ist keine zulässige Entweder-oder-Frage. Beides.«
    »Favorisierst du die deutsche, die englische oder die französische Literatur?«
    »Die deutschen und englischen Romantiker und die französischen Symbolisten.«
    »Italienische oder französische Designer?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Britische.«
    »Der Louvre oder das Musée d’Orsay?«
    Odice verdrehte die Augen. »Wieder eine unzulässige Frage. Das d’Orsay und das Centre Pompidou.«
    »Wenn du zwischen zwei Dingen wählen kannst, entscheidest du dich prinzipiell für das dritte?«
    Odice musste lachen. »Meistens.«
    »Erzähl mir von deiner Familie, Odice.«
    »Also gut.« Sie schluckte den Bissen Tarte hinunter. »Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater lehrte Philosophie an der Université Paris 8. Inzwischen sind sie beide im Ruhestand und

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