Odice
Odice. Schließlich hast du mir die Verfügungsgewalt über deinen Körper anvertraut und nicht umgekehrt. Und jetzt bin ich so scharf auf dich, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, dich in den nächsten Hauseingang zu ziehen und es dort mit dir zu treiben, dass dir Hören und Sehen vergeht.«
Wieder spürte Odice dieses wunderbare Ziehen im Unterleib.
Sex im öffentlichen Raum? Das wäre für sie bis vor ein paar Tagen ein absolut unvorstellbarer, ebenso abstruser wie indiskutabler Gedanke gewesen. Jetzt, mit Julien an ihrer Seite, erschien ihr die Vorstellung zumindest als durchaus reizvolles Gedankenexperiment.
»Nun, das wollen wir erstmal sehen. Schließlich haben wir eine Abmachung«, sagte sie kühl und funkelte ihn mit ihren giftgrünen Augen an.
» Nom d’une pipe , Odice! So mit mir zu spielen, wird dir teuer zu stehen kommen. Komm jetzt!«
Julien ergriff ihre Hand und dann folgte ein Gewaltmarsch durch die von zahlreichen Treppen durchzogene steile Altstadt von Blois bis zu der hochgelegenen spätgotischen Cathédrale Saint-Louis mit ihrem originalerhaltenen Renaissanceturm, auf der anderen Seite wieder hinunter und über die berühmte Steinbrücke über die Loire. Blois war im Mittelalter auf mehreren Hügeln errichtet worden und so führten die engen Gassen und Treppen ununterbrochen bergauf und bergab.
Inzwischen hätte Odice Julien, die Perlen, das Ei und die Louboutins an ihren Füßen verfluche können. Die Perlenkette rieb sie inzwischen wund und das ständige Nachschwingen in ihrem Unterleib trieb sie fast in den Wahnsinn. Dreimal brachte sie das Treppensteigen fast zum Höhepunkt, doch durch ihre miteinander verschlungenen Hände spürte Julien stets die leichte Verkrampfung ihrer Finger und bestand darauf, unverzüglich stehenzubleiben oder eine Pause auf der nächstgelegenen Mauer oder Bank einzulegen.
Er grinste dann jedes Mal hinterhältig und wartete so lange, bis sich ihr Herzschlag normalisiert hatte, ehe er ihr die nächste Etappe abverlangte.
»Bitte, ich kann nicht mehr«, stöhnte Odice schließlich entnervt.
»Was möchtest du denn, dass ich tue, Odice?« fragte er mit seinem spöttischen Lächeln auf den Lippen.
»Ich möchte zurück zum Auto, Julien.«
Er runzelte auf diese äußerst attraktive Art die Stirn.
»Wir sind jetzt ziemlich weit vom Parkplatz entfernt und ich schwöre dir, dass wir kein Taxi nehmen werden.«
»Dann lass mich in diese kleine Boutique gehen, an der wir eben vorbeigekommen sind. Ich werde in die Umkleidekabine gehen und dort dieses Ding ausziehen«, verkündete sie bestimmt.
»Nein, Odice. Das wirst du eben nicht tun.«
»Aber es bringt mich noch um!«
Julien lachte. »Ich glaube, daran ist noch keine Frau gestorben. Entweder wirst du auf die gleiche Weise auch den Rückweg ertragen und ich verspreche dir, dass wir noch den einen oder anderen Zwischenstopp auf Bänken und in Geschäften einlegen werden oder aber wir suchen uns ein Plätzchen, an dem ich dich von dem Ei und den Perlen befreien kann. Du hast die Wahl, Odice.«
»Diesen Triumph werde ich dir nicht gönnen, Julien«, zischte sie.
Julien zuckte nur lapidar mit den Schultern und so setzten sie ihren Weg fort.
Als sie die Brücke erneut überquert hatten, eine Zeit lang im nachmittäglichen Sonnenschein am Loire-Ufer entlang spaziert waren und Julien sie in die Rue de Commerce führte, die Hauptgeschäftsstraße von Blois, blieb Odice abrupt stehen.
»Ich gehe so keinen Schritt mehr weiter, Julien. Ich werde jetzt dort drüben in das Kaufhaus gehen und mich dieser Folterwerkzeuge entledigen.«
»Wie du wünschst, Odice. Allerdings nur in meiner Begleitung.«
Odice verdrehte die Augen.
Tatsächlich folgte er ihr in den Laden, bis in die ganz hinten gelegene Wäscheabteilung, wo die Umkleidekabinen großzügiger und die Kunden rarer waren. Odice griff ein willkürliches Wäscheset, wobei sie nicht einmal auf die Größe achtete und eilte damit in die nächstbeste Kabine. Die Schwingtür knallte sie Julien vor der Nase zu, doch noch ehe sie den Riegel umlegen konnte, war er schon bei ihr und versperrte die Tür von innen.
»Zieh dein Kleid hoch«, knurrte er in verhaltener Lautstärke und Odice gehorchte.
»Hak den Strumpfgürtel auf!«
Sie liebte den kehligen Klang seiner Stimme.
»Gut so. Jetzt zieh das Höschen aus und gib es mir.« Seine Stimme an ihrem Ohr war nur noch ein Flüstern und doch fehlte es seinen Worten nicht an Strenge und Autorität.
Wieder tat Odice
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