Odins Insel
bewusst zu werden, wie nahe er neben Sigbrit Holland saß, und er erhob sich mit geröteten Wangen. »Dann gibt es noch Hannelil, eine Kusine«, fuhr er schnell fort und richtete endlich den Blick auf den Fischer. »Im Telefonbuch
vom letzten Jahr steht eine Adresse hier in Fjordenhavn, und die stimmt sicher noch. Sie können es ja bei ihr versuchen.« Wieder zuckte er mit den Schultern. »Soweit ich weiß, ist das alles, was die Familie Adelstensfostre angeht. Wir sind nicht so viele.« Er wandte sich wieder an Sigbrit Holland. »Aber es gibt da ein anderes Problem. Da ich nur an der Herkunft des Namens interessiert war, habe ich mir ausschließlich die männliche Linie angesehen. Sollten die Bücher und Dokumente irgendwann einer der Töchter hinterlassen worden sein, könnte eine riesige, wenn nicht unlösbare Aufgabe vor Ihnen liegen.« Er lächelte und sah zu Boden. »Wenn Sie eine Zeit lang hier in Fjordenhavn bleiben, kann ich Ihnen vielleicht helfen«, murmelte er und sah mit einem verlegenen Gesichtsausdruck auf. »Aber es gibt bestimmt einfachere Methoden, um an diese Informationen zu kommen…«
»Danke«, sagte der Fischer Ambrosius kalt und erklärte kurz, dass sie sich selbstverständlich noch mit vielen anderen Kapitänen beschäftigten. Dann stand er auf.
Sigbrit Holland sah ihn überrascht an. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus, und sie erhob sich ebenfalls.
Benjamin Adelstensfostre begleitete sie hinaus.
»Passen Sie auf sich auf! Die Gewässer entlang der altnordischen Klippen sind rau.« Er sah Sigbrit Holland an.
»Lassen Sie mich wissen, wenn ich etwas tun kann…«, sagte er sanft und schloss die Tür hinter ihnen.
»Eine Insel ist eine Insel, bis sie nicht länger eine Insel ist« , sang Brynhild Sigurdskaer mit ihrer rauen Stimme, sobald der Fischer Ambrosius und Sigbrit Holland in das Steuerhaus traten. Der abgenutzte Mahagonitisch war ganz mit Papieren und aufgeschlagenen Büchern bedeckt. Die durchsichtige Frau hob eines der Bücher hoch und wiederholte den Spruch.
Brynhild Sigurdskaer war an Bord des grün-orangenen Fischerbootes gewesen, als Sigbrit Holland am ersten Morgen weit draußen auf dem Meer aufgewacht war. Die durchsichtige Frau war mit Odin und dem Fischer Ambrosius nach Sand Havn gesegelt, wo sie das Boot verlassen hatte und erst früh am nächsten Morgen mit einer Kiste voller Bücher zurückgekommen war.
Die Schlafplätze waren so verteilt, dass Sigbrit Holland und Brynhild Sigurdskaer sich die vordere Kajüte teilten, wo sich die Kojen in einer Spitze trafen, während Odin und der Fischer sich die größere Mittelkajüte teilten.
»Odin, wir haben vielleicht gute Neuigkeiten für Sie.« Bewusst oder unbewusst überhörte Sigbrit Holland die durchsichtige Frau.
»Es ist wohl noch etwas zu früh, das so auszudrücken«, bemerkte der Fischer Ambrosius ruhig.
»Aber es ist zumindest ein Anfang. Jetzt wissen wir, dass Kapitän Hans Adelstensfostre seine Tage in Altnorden beendet hat, wir wissen, dass seine Nachkommen hier leben, und morgen werden wir mit einem dieser Nachkommen reden.«
»Es gibt einen Querverweis auf einen Spruch, der beginnt Erwähne die Insel… und dessen Schluss der Verfasser des Buches nie gefunden hat.« Brynhild Sigurdskaer sprach, als sei sie nicht unterbrochen worden.
»Von wann ist er?«, der Fischer Ambrosius setzte sich auf die Bank und zündete sich seine Pfeife an.
»Er wurde zum ersten Mal zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgezeichnet. «
»Da war die Insel bereits gut und gerne hundert Jahre verschwunden. «
»Hundert Jahre im Volksmund ist ein Spruch für die Weisen«, sagte Odin leise.
Brynhild Sigurdskaer lächelte.
»Ja, das muss man berücksichtigen.«
»Dann haben wir vier«, sagte der Fischer. »Von denen nur einer vollständig ist, und zwar der, den du gerade vorgelesen hast: Eine Insel ist eine Insel, bis sie nicht länger eine Insel ist. « Er lachte trocken und rieb sich das Kinn. »Das bekräftigt wohl, was wir über die Insel wissen.«
Sigbrit Holland sah ungeduldig von einem zum anderen.
»Wenn Kapitän Adelstensfostre uns zu der Einfahrtroute führt, brauchen wir keine Sprüche mehr«, sagte sie.
Der Fischer Ambrosius rauchte eine Weile schweigend seine Pfeife, dann nahm er sie aus dem Mund.
»Da sind wir uns nicht so sicher«, antwortete er. »Adelstensfostre hin oder her, wir sind noch weit von der leisesten Ahnung entfernt, wo die Einfahrtroute sein könnte. Und wenn wir wirklich
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